Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Gnade, mit Thomas Volkert wiedervereinigt zu werden, ob nun in einem Palast oder in einer Hütte. Aber nur fort von diesem Mann.
Die Ruhe, die nach dem Rückzug des Martinus eingekehrt war, währte nur kurz. Nachdem sich ihr Mann mit ausreichend Alkohol wieder mit Mut, Selbstüberschätzung, Rücksichtslosigkeit und Gehässigkeit aufgetankt hatte, kam er erneut zum Vorschein. Julia kannte ihn gut genug, um das abenteuerlustige Funkeln in seinen Schweinsäuglein richtig deuten zu können: Martinus Caius war zu allem bereit und niemand sollte es wagen, ihn in die Schranken zu weisen.
Als er die ersten lauten Beleidigungen ausgestoßen hatte – diesmal gegenüber einem ehrwürdigen und respektierten Veteranen, der 25 Jahre lang in den Legionen gekämpft hatte und den er der Feigheit und Duckmäuserei bezichtigte – trat der Gastgeber auf ihn zu und versuchte eine andere Methode, um Martinus zur Räson zu bringen.
»Du beschämst deine Familie«, sagte er laut und zog damit eine Karte, die für die meisten Römer, die fanatische Familienmenschen waren, immer stach. »Deinen Vater! Und deine Frau! Sie muss dieses schreckliche Verhalten mit ansehen! Entehre nicht deinen Namen sowie den deiner Angehörigen, indem du dich hier so aufführst!«
Was genau es war, das Martinus’ Zorn provozierte – die Tatsache, dass der Mann ihn abfällig geduzt hatte, oder der Hinweis auf seinen gehassten Vater –, der Betrunkene reagierte sich allein an denen ab, die für ihn am leichtesten erreichbar waren und sich am wenigsten wehren konnten.
»Meine Frau?«, schrie er, kam torkelnd die Beine, den Becher mit Wein so weit schwenkend, dass rote Spritzer auf der bisher makellosen Toga seines Gastgebers landeten. »Die alte Schlampe! Aus gutem Hause, aber sie kriegt die Beine nicht breit! Wer weiß, mit wem sie sich vergnügt, wer weiß, welche Männer sie für Geld empfängt!«
Für jemanden, der sich vorzugsweise mit Huren umgab, war dies ein bemerkenswerter Fall von Doppelzüngigkeit. Julia sah auf, als sich alle Blicke auf sie richteten, das Gesicht versteinert, die Haltung jedoch ruhig. Dies war nichts, mit dem man sie beleidigen konnte. Sie wusste ja, aus wessen Mund es kam, und die meisten Anwesenden hier hatten zumindest eine Ahnung davon.
»Ich spucke auf meine Frau!«, heulte Martinus und kam auf sie zu. »Sie ist keine Frau, sie ist eine Xanthippe, eine Medusa! Sie ist ein Fluch für jeden Mann! Schaut, was sie mir geboren hat: eine Tochter! Eine Wertlose hat einer weiteren Wertlosen das Leben geschenkt! Wenn das nicht alles über ihr verderbtes Wesen und ihren nutzlosen Leib aussagt, was dann?«
Julia spürte, wie kalter Zorn durch ihre Adern rann. Sie selbst mochte der Unausstehliche beleidigen, aber ihre geliebte Tochter, die angesichts des Gebrülls bereits weinerlich das Gesicht verzog – das ging eindeutig zu weit. Und auch unter den Gästen wurde der Unwille laut, äußerte sich Unmut, unter Müttern wie auch unter den zahlreichen Vätern, die mit Töchtern absolut keine Probleme hatten – und sei es nur, weil man sie ganz wunderbar zur Festigung gewisser dynastischer Verhältnisse verheiraten konnte.
Julia war wütend. Doch das war sie schon oft in ihrem Leben gewesen. Und da der Jähzorn ihrer Mutter größer, gefährlicher und andauernder war als alles, was sie jemals in ihrem Leben würde emotional aufbieten können, hatte sie gelernt, sich zu beherrschen. Sie senkte den Kopf, zeigte Beschämung und hatte damit zumindest die Genugtuung, dass sich die öffentliche Meinung der Anwesenden klar auf ihre Seite stellte.
Dann machte Martinus einige Schritte auf sie zu.
Sie fuhr hoch, die Augen aufgerissen. Ihr Mann war völlig außer Kontrolle geraten.
Er beugte sich vor, riss ihr das Kind aus den Armen. Das Mädchen schrie auf, weinte laut. Martinus hielt es in die Luft.
»Seht Euch das an!«, schnappte er. »So etwas hat sie mir geschenkt! Eine Tochter! Was will ich mit dem Balg? Sollen es die Hunde fressen!«
Zwei Dinge geschahen. Die wie gelähmt dasitzende Julia fuhr hoch, streckte die Arme nach dem Baby aus, doch sie kam zu spät. Ihr Mann ließ das klagende Bündel ohne einen weiteren Kommentar fallen.
Und dann war da Claudia. Julia sah sie nur aus den Augenwinkeln. Die Sklavin hatte sich stets in ihrer Nähe, aber im Hintergrund gehalten, wie es sich für eine Leibsklavin gehörte. Doch plötzlich war sie da, wie aus dem Boden gewachsen und warf sich nach vorne.
Nicht auf Martinus, der
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