Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Senatorenfamilie – und von Geist, der sanfte, weiche Gegenpol zum burschikosen Geschäftsmann. Julia hatte nichts dagegen. Es verlangte sie danach, hier auf dem Lande auch mal andere Leute kennenzulernen, und dann möglicherweise sogar welche, die vollständige Sätze bilden konnten und zumindest Basiskenntnisse über die Welt außerhalb der Insel hatten.
Julia war durchaus bescheiden geworden.
Martinus hielt nichts von all diesen Vorbereitungen. Er schaffte es immerhin, sich die saubere Toga anzuziehen, die man ihm bereitgelegt hatte. Danach setzte er sich nach einem sehr dürftigen Frühstück in den Schatten des Innenhofs und schaute dem Treiben aus verquollenen Augen mit offensichtlicher Verdrießlichkeit zu. Julia versuchte, ihn weitgehend zu ignorieren, und um dafür eine passende Ausrede zu haben, warf sie sich in die Vorbereitungen. Glücklicherweise hatte sie ihre Erfahrung mit diesen Dingen, war ihre Mutter in Ravenna doch immer eine gern besuchte Gastgeberin gewesen. Ob sie es nun gewollt hatte oder nicht, Julia hatte einiges dabei gelernt, vor allem in organisatorischer Hinsicht. Spätestens nach dem zweiten sinnvollen Ratschlag wurde sie von der gastgebenden Familie ernst genommen und durfte mitmachen.
Es war früher Nachmittag und ein heißer dazu. Überall im Innenhof waren große Baldachine aufgestellt worden. Der Wein lagerte in Schwitzamphoren im Keller und würde erst kurz vor dem Ausschank hervorgeholt werden, um den Gästen zumindest etwas Kühlung zu gewähren. Nach und nach trafen die Eingeladenen ein, einige auf Sänften, manche zu Pferde, aber alle gut gekleidet und vorbereitet auf dieses für diese Region wichtige gesellschaftliche Ereignis. Die bereitgestellten Speisen wurden gelobt, Dankesworte fanden ihre Empfänger, Geschenke wurden ausgetauscht, man verschaffte sich Kühlung und parlierte höflich miteinander. Julia spazierte mit ihrer Tochter auf dem Arm von einem Grüppchen zum nächsten, wurde gleichfalls begrüßt, bekam Fragen zur Situation in Italien zu hören, die sie zu ihrem eigenen Bedauern nicht beantworten konnte, und machte so die Runde. Sie war beinahe bereit zuzugeben, dass dieser Nachmittag sehr angenehm zu werden versprach – bis ihr Ehegatte sich entschloss, aus seinem brütenden Schweigen zu erwachen, den Kater mit einem kräftigen Schluck Rotwein zu bekämpfen und sich an der Festivität zu beteiligen.
Auf seine ganz eigene und unnachahmliche Art und Weise.
Er fing erst einmal an, einige der Gäste zu beleidigen. Er ging dabei nicht besonders subtil vor, was Julia von ihrem Mann auch keineswegs erwartet hatte. Über einen eher hageren Mann mit einer vorspringenden Hakennase machte er sich lauthals lustig. Eine eher stämmig gebaute Frau mit einer großen Warze auf der Nase bekam ihr Fett ab. Ihre Tochter, jung, schüchtern und leider nicht mit einem besonders attraktiven Äußeren gesegnet, pries er laut als gute Partie an, die von ihrer Mutter vergeblich auf jede Festivität geschleift werde, um nur ja einen einfältigen Trottel zu finden, der sie haben wollte. Er riet ihr, ein Kopfgeld auszuloben, das die Attraktivität ihrer Tochter erhöhen würde. Das junge Ding, wahrscheinlich ohnehin mit nur wenig Selbstbewusstsein gesegnet, rannte weinend davon. Die Gäste schwiegen düpiert. Ein paar Männer versuchten, Martinus zur Besinnung zu bringen, doch er fühlte sich dadurch wohl erst recht angestachelt. Er grapschte einer Sklavin, die Wein brachte, an den Brüsten herum, und das hart und mit Gewalt. Die gequälte Frau schrie schmerzerfüllt auf, was Caius mit Beleidigungen quittierte. Im Hause seiner Verwandten wurden Sklaven anständig behandelt und sexuelle Übergriffe fanden im Regelfalle nicht statt. Der Gastgeber wies Martinus nun schärfer zurecht. Dies führte dazu, dass dessen Gesicht rot anlief und er einen Wutanfall bekam, der sich erst wieder legte, als man ihm Wein brachte und in Richtung Buffet komplimentierte.
Julia wollte im Boden versinken. Es war keinesfalls so, dass sie besondere Solidarität mit ihrem Mann empfand, sein Leid war gemeinhin ihre Freude. Doch die zahlreichen mitleidigen Blicke, die ihr vor allem von anderen Frauen zugeworfen wurden, waren nichts, was Julia angenehm erschien. Sie wollte nicht mit Martinus Caius identifiziert werden, weder im Guten noch im Schlechten, doch blieb ihr offenbar nichts anderes übrig. Sie schaute zu Boden, kümmerte sich in einer Ecke um ihre Tochter und betete einmal mehr inbrünstig um die
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