Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
triumphierend auf seine hilflose Frau starrte.
Sie warf sich auf den Boden vor dem Wüterich, drehte sich in der Luft, kam hart auf dem Rücken auf, die Arme ausgebreitet. Das schreiende Kind fiel direkt auf ihre Brüste, ließ Claudia vor Schmerz aufschreien, doch dann schlossen sich ihre Arme schützend um das Bündel und sie drehte sich zur Seite.
Gerade rechtzeitig, um den schweren Tritt von Martinus’ rechtem Fuß mit ihrem Rücken abzufangen. Sie stieß einen weiteren Wehlaut aus.
»Sklavin!«, schrie der Mann außer sich. »Ich töte dich!«
Dann waren zwei Männer an ihm heran, hielten ihn an den Armen, rissen ihn zurück. Julia beugte sich über Claudia, der Tränen in den Augen standen, doch sie drückte das schreiende Baby weiter schützend an sich, nicht zu fest, aber sorgsam in die Arme gebettet. Julia half der Sklavin auf, umarmte beide, Frau wie Kind, und warf einen Blick auf Martinus Caius, der tobend unverständliches Zeug schrie.
Er begegnete ihrem Blick und verstummte unvermittelt.
Ob er in der absoluten Kälte in ihren Augen die Gnadenlosigkeit Roms wiedererkannte? Die Bereitschaft, Blut zu vergießen, wenn es der Größe des Imperiums diente? Auf Freund wie Feind keine unnötige Rücksicht zu nehmen und Gnade für Weichheit zu halten?
Er starrte sie an, der eigene Blick wässrig, fahrig.
Julia holte tief Luft und sprach laut und durchdringend.
»Das ist mein Mann, Martinus Caius«, sagte sie ohne Anklage in der Stimme. »Er säuft, er hurt, er schlägt, er ist zu nichts nutze. Er schützt seine Familie nicht und gehorcht nicht dem Vater. Er enttäuscht jeden, den er trifft, außer denen, die sein Gold nehmen, denn das verschwendet er reichlich. Er ist fett, aufgeblasen, arrogant, unbeherrscht und zu allem unfähig, was er sich vorgenommen hat. Er hat keine Kenntnisse und keine Ambitionen, er ist für nichts bekannt außer für seine Gelage und seine Zügellosigkeit. Er ist ein Versager als Händler und Geschäftsmann, wäre ein Versager als Soldat, als Beamter, als Senator, als Wächter der öffentlichen Toiletten. Er ist ein Versager als Mann. Er hat keine Würde und keine Disziplin, ist in allem maßlos, was ihm und anderen schadet. In ihm ist keine Gnade und keine Güte, keine Kraft, keine Hoffnung und keine Zukunft. Er ist ein Fluch für seine Familie, eine Schande für seinen Stand und eine Schmach für seine Frau. Er ist bereit, das eigene Kind zu ermorden. Ich verachte ihn.«
Dann spuckte sie aus. Der Speichel traf seine Toga und vermischte sich mit einem Weinfleck. Die Flüssigkeit lief den Stoff hinab, ehe sie aufgesogen wurde. Es herrschte eine völlige Stille. In den Augen aller stand Verachtung für Caius, Mitleid für Julia und Freude über den Mut einer Sklavin.
Caius machte sich los. Die beiden Männer neben ihm blieben wachsam. Er würde keine weitere Gelegenheit für einen Angriff erhalten und er wusste das. Er wusste auch, dass er auf dieser Insel, unter den Freunden und Verwandten seines Vaters, gestorben war. Und sobald die Kunde von alledem, was hier vorgefallen war, Ravenna erreichte, würde sein gesellschaftlicher Tod weitere Kreise ziehen. Die Worte der Julia würden die Runde machen, das war sicher, und alle hier sahen dem mit Freude und Genugtuung entgegen.
Martinus Caius starrte Julia an. Ihm blieb noch eine letzte Tat, die sein Recht war und gegen die niemand etwas unternehmen konnte, sein Recht als Vorstand der Familie, als Ehemann und als Römer.
Julia wappnete sich und so geschah es.
32
»Tribun Thomasius. Ihr seid weit gekommen.«
Sedacius sah Volkert lächelnd an. Es war genau so gekommen, wie es seine Männer prophezeit hatten. Als sie den Leichnam des Andragathius ins Lager gebracht hatten, konnten viele Männer die Identität des Toten bestätigen. Auch die Gefangenen, die man mitgeführt hatte, bezeugten, dass der Heermeister persönlich an der Kundschaftermission teilgenommen habe. Es bestand kein Zweifel daran, dass Thomas Volkert den höchsten militärischen Würdenträger nach Maximus getötet hatte, und das auch noch, ohne überhaupt zu wissen, wen er da vor sich hatte.
Theodosius ließ keine Chance verstreichen, einen Propagandaerfolg auszuschlachten. Ungeachtet der Frage, ob die Tat des Thomasius tatsächlich so ruhmreich, außergewöhnlich und grandios gewesen war, wie sie nun dargestellt wurde, sie hob die Moral der Männer und sorgte für gute Laune – und würde die Feinde entweder provozieren oder
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