Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
einschüchtern, was beides gut war, da es sie zu Fehlern verleiten würde.
Es hatte also eine große Zeremonie gegeben, in deren Mittelpunkt Theodosius Thomasius befördert hatte. Dieser hatte sich dabei nicht wohlgefühlt, vor allem wegen der Blicke der anderen deutschen Soldaten. Doch mittlerweile war seine Desertion fast vergessen und niemand würde trotz einer gewissen Ähnlichkeit ernsthaft annehmen, dass dieser junge, aufstrebende römische Offizier ein fahnenflüchtiger Zeitenwanderer war. Volkert fühlte sich zunehmend selbstsicher. Sein ordentlicher Bart und die römische Uniform taten ihr Übriges.
Danach lud Sedacius ihn zu einem privaten Essen in sein Zelt ein. Es war ein formloses Mahl und das war es, was Volkert eher beunruhigte. Wenn die Mächtigen formlos wurden, dann gehörte man entweder zu ihnen oder sollte von ihnen benutzt werden. Dass Sedacius den frischgebackenen Tribun als geeignetes Werkzeug für seine Umsturzpläne ansah, war Volkert durchaus klar. Er fühlte sich weiterhin sehr unwohl dabei. Wenn seine Karriere so weiterging, würde er Sedacius bald nicht mehr brauchen, um kaiserliches Pardon zu erhalten und, so hoffte er, mit Julia wiedervereint zu werden.
»Ich danke Euch für die freundlichen Worte«, erwiderte Volkert unverbindlich und nippte an seinem Wein. Richtigen Appetit hatte er nicht, die dargebotenen Speisen zu ignorieren, war aber sicher nicht klug. Er aß ein wenig von allem, aber ohne Begeisterung. Er war konzentriert und aufmerksam. Er musste aufpassen, was Sedacius zu ihm sagte – und auf welche Weise –, und er musste genau überlegen, wie seine Antwort ausfallen würde.
»Der Tag ist bald gekommen, Thomasius«, erklärte der Vorgesetzte nun und schaute sinnierend in seinen Wein, die Augen etwas zusammengekniffen, als habe er darin etwas entdeckt, was nicht hinein gehörte. »Die Tatsache, dass wir nach Afrika übersetzen, hat Bewegung in die Sache gebracht. Während Eurer Mission haben wir uns erneut beraten und sind zu dem Schluss gekommen, dass es bald eine gute Gelegenheit geben wird, Theodosius zu stürzen und das Kommando über die Armee zu erringen. Ich habe viele Freunde in Afrika, die mich unterstützen werden.«
Er sah Volkert lächelnd an. »Der Plan sieht vor, dass die Armee nach und nach übersetzt und dass Theodosius mit einem der letzten Kontingente abreist. Ich habe dafür gesorgt, dass in dieser letzten Truppe meine treuesten Soldaten die erdrückende Mehrheit haben. Niemand wird uns daran hindern können, den entscheidenden Schritt zu tun. Die Truppe wird mich zum Imperator ausrufen. Die Statthalter in Afrika werden das ebenfalls tun und damit die bereits gelandeten Einheiten auf unsere Seite bringen, ob nun aus Überzeugung oder eher grummelnd. Dann werden wir den Osten informieren. Rheinberg hat keine Chance, als sich uns anzuschließen, will er nicht gegen Maximus und mich gleichzeitig kämpfen.«
Volkert nickte langsam. Darin kalkulierte Sedacius seiner Ansicht nach richtig. Rheinberg würde eine Dreiteilung des Reiches und einen noch längeren und blutigeren Bürgerkrieg niemals gutheißen. Und er würde sich keinesfalls aus Trotz dem Mörder Gratians anschließen, der außerdem eine dermaßen intolerante Religionspolitik verfolgte, mit der Rheinberg sich nicht würde arrangieren können. Ja, der Heermeister würde sich trotz dieser Aktion auf die Seite von Sedacius schlagen, alleine, um diesen internen Konflikt so schnell wie möglich zu einem Ende zu bringen.
Volkert fragte sich, auf wessen Seite er stand.
Sedacius redete und redete und Volkert hörte zu, grunzte zustimmend, aß, trank, nickte. Von ihm wurde keine großartige weitere Reaktion erwartet. Und seine eigenen Gedanken kreisten um die Frage, ob er Theodosius warnen sollte.
War das in seinem eigenen Sinne? War das im Sinne von Kapitän Rheinberg? Würde es ihrer aller Sache wie auch der Rehabilitation des Thomas Volkert nützen? Oder würde er damit nur eine Auseinandersetzung auslösen, in deren Verlauf er mit großer Sicherheit sein junges Leben beenden würde?
Volkert fühlte sich schlecht. Er hasste diese Art von Entscheidungen. Und doch fand er eine gewisse Orientierung in der Frage: Was würde Jan Rheinberg an seiner Stelle tun?
Was nur, in Gottes Namen, war das Richtige?
Als das Abendessen beendet war, stapfte er in die Nacht hinaus und versuchte sich zu erinnern, was eigentlich gesagt worden war. Von ihm selbst? Nicht viel und nichts von Bedeutung. Von Sedacius? Viele
Weitere Kostenlose Bücher