Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
schweigend fest, dass Dahms von »unseren« Grenzen sprach. Wie sie alle hatte er mit der Zeit begonnen, zumindest sich selbst nicht mehr als Fremdkörper in dieser Epoche wahrzunehmen und eine gewisse Loyalität für die hiesigen Umstände zu empfinden. Ob das auf Gegenseitigkeit beruhte, vermochte Rheinberg nicht mit gleicher Sicherheit zu sagen. Er bezweifelte es.
»Andererseits«, setzte der Ingenieur fort, »sind in den letzten Wochen immer mehr Berichte eingetroffen, denen zufolge die Aktivität der Hunnen sich reduziert habe. Zuletzt ein Brief unseres neuen quadischen Verbündeten, der davon sprach, dass er in seinem Gebiet und darüber hinaus keine Hunnen mehr finden könne, obgleich er viele Späher entsandt habe.«
»Vielleicht hat der Sieg des Sedacius die Hunnen eingeschüchtert?«
Dahms machte ein zweifelndes Gesicht.
»Hunnen lassen sich nicht so leicht einschüchtern. Die stecken Niederlagen leichter weg als wir. Daran kann ich nicht glauben. Aber vielleicht sind sie etwas vorsichtiger geworden. Lassen sich wieder etwas mehr Zeit. Wenn das aber dazu führt, dass sie sich besser vorbereiten, dann steht uns noch einiges bevor.«
Rheinberg legte Dahms eine Hand auf die Schulter.
»Wir sollten diese Brücke überqueren, wenn wir sie erreicht haben.«
»Du hast sicher recht. Aber da bleibt noch immer eine andere Frage.«
»Welche?«
»Von Klasewitz.«
Rheinberg stieß ein Schnauben aus.
»Was soll mit ihm sein? Er hat seine Entscheidungen getroffen. Dass er auf der anderen Seite steht, wundert uns nicht. Er wird für seinen Verrat bezahlen. Wenn er mir vor den Lauf kommt, wird es mir eine Freude sein, ihn persönlich zu erledigen.«
Dahms fühlte den kalten Zorn und die Entschlossenheit in Rheinbergs Worten und nickte zufrieden.
Genau das hatte er hören wollen.
Und wenn Rheinberg dazu keine Gelegenheit finden würde, Dahms stand bereit, ihm diese Bürde abzunehmen.
Sie blieben noch einige Augenblicke in der kühlen Nachtluft stehen, ehe sie sich ins Innere des Zeltes begaben, das von der Größe mehr einem kleinen Haus entsprach. Diener warteten auf sie. Einer teilte Rheinberg mit, dass Aurelia in ihrem Teil des Zeltes bereits schlafen würde. Die Strapazen der Reise, kombiniert mit den körperlichen Auswirkungen einer frühen Schwangerschaft, zeigten ihre Wirkung. Rheinberg hatte immer noch Probleme damit, sich mit dem Gedanken an eine baldige Vaterschaft vertraut zu machen, aber so langsam gewöhnte er sich daran. Es war ihm nunmehr ein Ansporn, Rahmenbedingungen zu schaffen, die seinem Kind erlauben würden, in Frieden und Sicherheit aufzuwachsen.
»Bringt Tee!«, gab Dahms die Anordnung und sie setzten sich auf die bereitgestellten Sofas, um den Abend ausklingen zu lassen. »Tee« war hier jedoch keinesfalls in dem Sinne zu verstehen, wie Rheinberg und Dahms dies aus ihrer Zeit kannten. Die Teepflanze war erst im 17. Jahrhundert nach Europa gekommen. Die Römer kannten heiße Tränke aus verschiedenen Kräutern, die in Geschmack und Einsatzgebiet eher klassischen Heiltees ähnelten. Thymian, Kamille und andere Gewächse waren durchaus bekannt, inklusive ihrer medizinischen Wirkungen. Es war besser als nichts, aber nicht das, was die beiden Männer wirklich gerne getrunken hätten.
»Ich darf es dir eigentlich nicht verraten«, murmelte Dahms entspannt, »aber die Männer der Saarbrücken sind damit beschäftigt, dir aus alten Metallteilen eine ganz spezielle Krippe zu bauen. Mit Schornstein und so. Sie wird furchtbar albern aussehen und Aurelia wird sie mit eiserner Höflichkeit akzeptieren, um sie dann so schnell wie möglich aus ihren Augen zu verbannen. Aber gerade deswegen solltest du sie darauf vorbereiten. Die Männer meinen es gut, sie haben bloß … na ja, einfach keine Ahnung.«
Rheinberg grinste.
»Ich werde angemessen überrascht und erfreut sein. Aurelia ist eine hervorragende Schauspielerin. Es würde mich nicht wundern, wenn du sogar Tränen in ihren Augen erkennen würdest. Es wird herzerweichend sein.«
»Das beruhigt mich.«
Die Bediensteten brachten den Tee, die übliche Kräutermischung, angetan mit Honig. Sie schmeckte nicht schlecht und war vermutlich entsetzlich gesund. Für einen Moment widmeten sich die beiden Männer schweigend dem Getränk. Im Gegensatz zum »echten« Tee wirkte dieses nicht anregend, sondern eher entspannend, was der anschließenden Bettruhe förderlich sein dürfte.
Dahms war es schließlich, der wieder das Wort ergriff.
»Jan
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