Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
glitzernden Denaren erleichtert. Ah, ich erinnere mich – warst du nicht auch als Küchenhilfe in seiner Stadtvilla angestellt?«
Flavia kniff die Augen zusammen. »Ich erinnere mich nicht.«
Das klang aufrichtig, richtig ehrlich. Salius war sehr beeindruckt.
»Natürlich nicht.« Screpius kicherte. »Das wäre wohl auch zu viel verlangt gewesen.«
Salius sah sich um. Niemand beachtete ihr Gespräch. Er lächelte Flavia an, nicht herzlich oder warm, sondern mit der kalten Berechnung eines Raubtiers.
»Setz dich, Flavia. Ich möchte mir dir reden.«
Interesse und Erwartung funkelten in ihren Augen, als sie seiner Aufforderung folgte. Sie faltete die Hände vor sich auf den Tisch und blickte Salius gelassen an. Wenn sie Angst vor einer drohenden Verhaftung hatte, so zeigte sie es nicht.
Salius entwickelte Begeisterung für diese Frau.
Er arbeitete gerne mit Profis zusammen.
Das machte alles gleich sehr viel einfacher.
9
»Ich glaube nicht, dass du schon reisen kannst.«
»Und ich glaube, dass du nur vermisst, mich nicht länger bemuttern zu können.«
Godegisel nahm Clodius in die Arme und drückte den alten Mann einen Moment fest an sich.
»Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Ich werde dich nicht vergessen, und das meine ich ernst. Sobald dieser Krieg ein Ende hat und ich weiß, was aus mir geworden ist, wirst du meine Dankbarkeit zu spüren bekommen.«
Clodius schüttelte lächelnd den Kopf. »Das sagst du immer wieder, mein Junge. Aber es ist immer noch nicht nötig. Schau, dass du deinen Weg gehst. Eile sogleich nach Westen und entkomme der Pest, so gut du es kannst.«
Godegisel nickte. Er trug abgewetzte, aber saubere Kleidung aus dem Vorrat des Clodius. Der alte Mann hatte dem Goten zum Abschied Geschenke gemacht, die diesen beschämten. Ein neues Paar Schnürsandalen, auf dem Markt erworben, eine hervorragende Grundlage für den langen Fußmarsch, der nun bevorstand. Einen Reisesack, den sich Godegisel über die Schulter werfen konnte, gefüllt mit weiterer Kleidung, Brot und Käse sowie einer kleinen Amphore mit verdünntem Wein. Und zum Schluss eine Geldbörse mit einigen kleineren Münzen, eine sehr bescheidene Summe, aber genug, um Godegisel einige Tage am Leben zu erhalten.
Godegisels Ziel war es, Dyrrhachium zu erreichen und von dort eine Seepassage nach Süditalien zu finden, um sich Theodosius anzuschließen. Nach dem, was Clodius ihm erzählt hatte, war der Zugang nach Konstantinopel stark reglementiert und außerdem breitete sich die Pest auch in diese Richtung aus. Es war eine Art von Wettrennen, das er möglicherweise nicht gewinnen konnte. Sobald er in Süditalien Theodosius’ Armee gefunden hatte, würde sich schon eine angemessene Verwendung für ihn finden. Wahrscheinlich war Rheinberg auch mittlerweile dort angekommen, sodass er dem Heermeister vom Scheitern seiner Mission berichten konnte.
Einige Momente hatte der Gote überlegt, eher zum Siedlungsgebiet der Goten zurückzukehren, aber er hatte diesen Gedanken daraufhin gleich wieder verworfen. Bei seinem Volk gab es für ihn keine Zukunft. Und selbst in dem Fall, dass er es doch noch zum Eingreifen würde überreden können, die Seuche machte alle diese Planungen sofort wieder zunichte.
Godegisel war gescheitert, sowohl an seinen Mitgoten wie auch an den äußeren Umständen. Er nahm es gefasst auf. Mehr, als es zu versuchen, war diesmal eben nicht möglich gewesen. Er konnte die Zeitenwanderer mittlerweile gut genug einschätzen, dass er wusste, ihm würde daraus kein größeres Ungemach erwachsen. Er hoffte auf eine Position, von der er die Dinge weiter beobachten und in der er eine Rolle spielen konnte, ohne allzu sehr im Vordergrund zu stehen.
Es war nichts, über das er sich noch weiter Gedanken machen sollte.
»Wir werden uns wiedersehen, Clodius«, sagte er erneut und der Alte nickte nur. Beide wussten sie nicht, was die Zukunft bringen würde. Und nach alledem, was Godegisel seinem Retter erzählt hatte, war dem alten Mann klar, dass Menschen wie der Gote einen völlig unvorhersehbaren Lebensweg hatten. Es mochte sein, dass ihn dieser Weg wieder zurück in seine Hütte führte. Es konnte aber genauso gut passieren, dass sie sich trotz aller guter Absichten jetzt zum letzten Mal sahen.
Es würde kommen, wie es eben kam, befand Clodius.
Irgendwann hatten beide Männer genug vom Abschiednehmen und Godegisel wanderte los. Er hatte sein Versprechen durchaus ernst gemeint,
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