Kaiserkrieger 6: Der Kaiser (German Edition)
Legionär hob abwehrend die Hände.
»Mir reicht es, wenn ich die Dienstzeit überlebe, Heermeister.«
Rheinberg konnte gegen diese Prioritätensetzung wenig vorbringen.
Er fühlte sich von den Legionären mitgerissen, als sie mit ihm über den Hügel marschierten, auf die alte Kommandostellung zu. Rheinberg konzentrierte sich auf zwei Dinge: auf den Schmerz in seinem Bein und darauf, die aktuellen Ereignisse zu verarbeiten. Dies war nun schon der zweite Kaiser, der seit seiner Ankunft gestorben war, und im Gegensatz zu Gratian, dessen früher Tod, wenn man zu Zynismus neigte, vom Schicksal ja ohnehin »vorherbestimmt« war, fiel Theodosius nun deutlich vor seiner Zeit. Anstatt eines natürlichen Todes zu sterben, wurde er in einer Schlacht getötet, und das viele Jahre, bevor er tun oder unterlassen konnte, was ihm in Rheinbergs Zeitlinie den Beinamen »der Große« eingebracht hatte. Rheinberg wusste nicht, ob der Spanier ihm in seinen letzten Momenten Vorwürfe gemacht hatte. Beide hatten sie sich dermaßen in der geschickten Manipulation des Maximus durch den scheinbaren Verrat der afrikanischen Präfekten gesonnt, dass sie nicht hatten erkennen wollen, dass Maximus noch um eine Ecke weiter gedacht hatte. Godegisel hatte sie gewarnt. Wie musste der Gote sich jetzt fühlen? Rheinberg hoffte, dass er irgendwo in Sicherheit war und sich nicht mehr an den Kämpfen beteiligte. Das wäre nach alledem doch zu viel zu erwarten gewesen. War er klug, würde er sich bereits auf den Heimweg gemacht haben, was auch immer er jetzt noch als Heimat bezeichnete.
Es dauerte eine Weile, dann hatten sie die Position erreicht. Rheinberg machte sich von den Legionären los, winkte den Signalbläsern, die sofort in Stellung gingen, griff zum Fernglas und verbrachte eine Minute damit, die Situation zu betrachten. Er war kein Experte in antiken Landschlachten, ihm fehlte es dafür an Erfahrung und in gewisser Hinsicht auch an Einfühlungsvermögen. Doch die meisten seiner Offiziere waren tot. Er musste eine Entscheidung treffen. Seine Unfähigkeit enthob ihn nicht seiner Pflichten.
Und diese Pflicht war nun eine bittere, wie er feststellen musste.
Wie durch ein Wunder hielten die Truppen des Theodosius stand. Doch es war nur noch eine Frage weniger Minuten, bis die Formationen auseinanderbrechen würden – spätestens dann, wenn sich herumsprechen würde, dass Theodosius tot war.
Rheinberg kam zu dem Schluss, dass alles, was ihnen jetzt noch blieb, der möglichst geordnete Rückzug war. Tatsächlich aber war davon auszugehen, dass es eher in eine wilde Flucht münden würde. Wer war da, der den Männern noch Führung geben konnte? Rheinberg fühlte sich dazu in diesem Moment nicht in der Lage, und es fehlte ihm, Titel und Amt hin oder her, schlicht an Legitimität.
Er hatte sich in den vergangenen Monaten selten so sehr wie ein Fremdkörper in dieser Epoche gefühlt wie in diesen Augenblicken.
Rheinberg seufzte.
Selbstmitleid hatte noch niemandem geholfen.
Er führte das Fernglas an die Augen. Der linke Flügel hielt sich mit bemerkenswerter Standhaftigkeit. Wer auch immer dort jetzt das Kommando hatte, er verstand es, die Legionäre zu motivieren und richtig zu kommandieren.
Vielleicht war doch noch nicht alles verloren.
41
Jemand reichte Maximus einen Kelch mit Wein, er nahm ihn und trank. Die Stimmung im Zelt des Kaisers verbesserte sich mit jeder weiteren Minute. Der Sieg stand unmittelbar bevor, und alle wussten sie es. Theodosius war gefallen. Die Schlacht stand vor ihrem Ende. Mit etwas Glück war damit auch dieser Bürgerkrieg abgeschlossen. Maximus war alleiniger Kaiser ganz Roms, und das war mehr, als er sich vor Beginn seines Aufstandes hatte erträumen können.
Seine Truppen wurden von höheren Offizieren geführt, die den Rest der Schlacht ohne Probleme alleine bewältigen konnten. Maximus hatte sich mit seinem Gefolge, dem Heermeister und dem guten alten Vetius in sein Zelt zurückgezogen. Es war Zeit, zu essen und das weitere Vorgehen zu besprechen, es war aber auch Zeit, etwas zu feiern.
»Was soll mit jenen Legionären geschehen, die sich ergeben und nicht fliehen?«, war die erste Frage, die Maximus vorgelegt wurde. Der Imperator hatte sich auf all diese Dinge bereits wohlerwogene Antworten vorgelegt, die er nun in konkrete Befehle zu kleiden hatte.
»Allen soll Gnade und Pardon erwiesen werden. Ich wünsche keine Folter und keine Misshandlung. Sie werden entwaffnet und für eine
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