Kaiserkrieger: Der Aufbruch
kaum älter als er, aber trug aus offensichtlichen Gründen ein recht eng geschnittenes Gewand, das ihre knospenden Vorzüge herausstrich. Das war exakt, wonach Marcellus gesucht hatte, und vielleicht noch ein wenig mehr in dieser Art. Er grinste die Sklavin unumwunden an, während Josaphat sie gar nicht richtig zu bemerken schien und stirnrunzelnd die Schriftzeichen an der weiß gekalkten Wand musterte, die so etwas wie die Speisekarte darstellten.
Das junge Mädchen, das an seinem Los erkennbar wenig Freude hatte, wirkte eher eingeschüchtert und ängstlich. Wenn Marcellus die Striemen an ihrem Oberarm richtig deutete, dann wurde sie geschlagen, und das nicht selten.
Nein, so sagte er sich, das war doch nicht, wonach er gesucht hatte.
Zu seiner Überraschung konnte sein Freund lesen, und als er die angebotenen Speisen identifiziert hatte, plapperte er drauflos. Die Handvoll Münzen seines Freundes eingedenk, bestellte er Brot, Käse, ein einfaches Fischgericht und verdünnten Wein. Als er mit der Bestellung fertig war, wandte sich die Bedienung ab und eilte zur Küche. Marcellus sah ihr halb bedauernd, halb mitleidig nach. Es gab einige seltsame Ansichten der Zeitenwanderer – etwa zur Sklaverei –, die langsam für ihn Sinn zu haben begannen, je länger er darüber nachdachte. Er hatte in all der Zeit auf der Saarbrücken für viele Aspekte des römischen Alltags eine neue Perspektive gewonnen, auch wenn er sich dessen nicht immer bewusst war.
Marcellus setzte sich so hin, dass er Tennberg aus den Augenwinkeln beobachten konnte, während er gleichzeitig leise mit Josaphat über belanglose Dinge plauderte. Er versuchte dabei, das Thema der Saarbrücken und der Zeitenwanderer möglichst zu vermeiden, damit Tennberg nicht etwas hörte, was ihn misstrauisch machen konnte. Sein Freund war ohnehin nicht richtig bei der Sache, denn die Wohlgerüche aus der Küche schienen ihn ganz in ihren Bann zu schlagen. Als die Bedienung nur kurz danach zurückkam und von einem mächtigen Tablett irdenes Geschirr auf ihrem Tisch platzierte, war es um Josaphat ganz geschehen. Noch während Marcellus einige Münzen in die geöffnete Hand der Sklavin zählte, hatte er seine Schüssel an sich gezogen, ein Stück Brot aus dem Laib abgerissen und den dicken, hölzernen Löffel gezückt. Mit intensiver Konzentration begann er, sich durch den geräucherten Fisch und das Gemüse zu essen, seine Augen ganz auf die Speisen fixiert und damit völlig unansprechbar. Nur hin und wieder hob er seinen Blick, nickte Marcellus anerkennend zu, nahm einen Schluck des verdünnten Weins, um sich daraufhin sofort wieder in die stetig abnehmende Nahrungsmenge zu vertiefen.
Da hatte jemand wirklich Hunger.
Marcellus war durchaus nicht ohne Appetit, aber Tennberg im Blick zu halten, erschien ihm weitaus interessanter, und so konnte er mit Josaphats Essgeschwindigkeit nicht einmal halb mithalten. Als sein Freund fertig war und versuchte, keine allzu sehnsüchtigen Blicke auf Marcellus’ Portion zu werfen, schob dieser ihm hin, was er noch nicht vertilgt hatte. Dankbarkeit im Blick, schlang Josaphat auch das in sich hinein. Nur seinen Becher mit Wein behielt Marcellus in der Hand.
Auch Tennberg hatte nicht viel mehr getan, als mit seinem Becher zu spielen. Immer wieder betrachtete er die Tür. Es stand zweifelsfrei fest, dass er auf jemanden wartete.
Josaphat war mit dem Essen fertig – jetzt wirklich fertig! –, als Tennbergs Verabredung eintrat. Der Deserteur erhob sich, wies auf einen leeren Stuhl an seinem Tisch. Marcellus betrachtete den Neuankömmling. Er sah gut gekleidet aus, ordentlich rasiert und frisiert, ein Mann von gewissem Wohlstand. Die beiden Männer steckten die Köpfe zusammen und fingen zu tuscheln an. Marcellus strengte sich sehr an, aber er konnte kein Wort verstehen. So blieb ihm nichts übrig, als an seinem Wein zu nippen und so unauffällig wie möglich zu bleiben. Als er die wachsende Ungeduld seines Freundes spürte, beschloss er, ihn einzuweihen. In raschen Worten skizzierte er die Situation. Josaphat, mit vollem Magen und sichtlich dankbar für die Einladung, war sofort Feuer und Flamme. Er versprach, Marcellus bei allem zu helfen, was dieser wohl vorhatte, und bestellte, nur zur Tarnung, zwei weitere Becher Wein, die kurz darauf gebracht wurden.
Schließlich erhoben sich die Männer und verließen die Taverne. Die beiden Jungen folgten ihnen. Draußen war es mittlerweile dunkel. Marcellus erkannte, dass die Männer
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