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Kaiserkrieger: Der Aufbruch

Kaiserkrieger: Der Aufbruch

Titel: Kaiserkrieger: Der Aufbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk van Den Boom
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müde gemacht. Er war kurz davor, seinem Freund zu sagen, dass er zum Hafen zurückzukehren gedenke, als er mit einem Male wie vom Donner gerührt stehen blieb.
    Für einen winzigen Moment hatte er gedacht, in der Menge jemanden gesehen zu haben. Ein vertrautes Gesicht. Ein Gesicht, das er hier nicht zu sehen erwartet hatte. Und das hier auch nicht hingehörte.
    Er blinzelte, sah genauer hin. Vor einer Taverne saßen auf wackeligen Stühlen einige Männer, alle mit Wein und einem frühen Abendessen beschäftigt, einige in die Gewänder von Schreibern und Beamten gekleidet, andere waren eindeutig als Bau- und Verladearbeiter zu erkennen, die wahrscheinlich ihr Auskommen im Hafen hatten.
    Nichts Ungewöhnliches, wollte man meinen.
    Wahrscheinlich hatte er sich getäuscht. Die Schatten wurden länger. Außerdem war es doch gar nicht möglich. Eine absurde Vorstellung geradezu. Marcellus fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Ja, er hatte Hunger, und die tafelnden Männer erinnerten ihn nur zu sehr an diese Tatsache. Eine Sinnestäuschung, hervorgerufen durch den starken Appetit.
    Erneut wollte er sich an Josaphat wenden, der die essenden Männer mit einem deutlich hungrigeren Gesichtsausdruck als Marcellus musterte, da nahm er etwas in seinen Augenwinkeln wahr. Fast gegen seinen Willen wandte er sich ab, riss die Augen auf. Ein junger Mann kam aus der Taverne, schaute sich um, als erwarte er jemanden zum Essen, verzog enttäuscht das Gesicht und ging zurück in den Schankraum.
    Nein, es bestand gar kein Zweifel! Es war keine Täuschung, keine Einbildung und hatte auch nichts mit den Schatten zu tun.
    Der junge Mann war Marcellus wohlbekannt. Er hieß Markus Tennberg, trug den deutschen Dienstgrad eines Fähnrichs und war zusammen mit Freiherr von Klasewitz als einer der Meuterer verschwunden, als der Aufstand gegen Kapitän Rheinberg scheiterte. Er wurde im ganzen Reich gesucht. Rheinberg persönlich hatte ein Kopfgeld von 500 Solidi auf von Klasewitz und Tennberg ausgesetzt. Je. Er meinte das sehr ernst, das wusste Marcellus.
    Tennberg war mehr als nur ein Deserteur wie Thomas Volkert. Er war ein Verräter. Marcellus erinnerte sich an die Worte, die sein Magister, Marineoberingenieur Dahms zu dem Thema gefunden hatte. Sprach er über Volkert, so war da Bedauern in seiner Stimme, aber auch Sympathie und Verständnis. Milde. Bereitschaft zur Gnade. Wechselte das Thema aber zu von Klasewitz und seinen Komplizen, so wurde Dahms’ Stimme kalt. Zwar hatte man den Rest der Meuterer, degradiert und unter Bewachung, von weiteren Strafen befreit, da jeder Mann benötigt wurde, aber Dahms behandelte diese Besatzungsmitglieder mit kühler Ablehnung und, wo nötig, beißender Schärfe. Tennberg, der sich nicht ergeben hatte, sondern dem Verantwortlichen des Aufruhrs in das Exil gefolgt war, hatte nichts verdient außer Dahms’ tiefster Verachtung.
    Nicht zuletzt deswegen, weil dieses Gefühl sich zu einem gewissen Maße auch auf seinen begierigen Schüler Marcellus übertragen hatte, fasste der Junge einen schnellen Entschluss.
    »Ich habe Hunger, Jos«, sagte er und schlug seinem neuen Freund auf die Schulter. »Lass uns dort einkehren !«
    »Ich habe kein Geld«, erwiderte Josaphat, kaum eine Handbreit kleiner als Marcellus, aber erkennbar gedrungener gebaut, mit groben Knochen und starken, sehnigen Händen. So ein Junge, das erahnte Marcellus intuitiv, hatte immer Hunger. Und viel.
    Er holte einige Münzen aus seiner Tasche. Die revolutionärste Neuerung in seinem Leben war gewesen, dass er als Besatzungsmitglied der Saarbrücken in den Genuss eines wenngleich spärlichen Soldes gekommen war. Und da er in den letzten Monaten nur wenig Gelegenheit gehabt hatte, seine Kupfermünzen auch auszugeben, hatte sich doch eine recht ordentliche Anzahl angesammelt. Mehr als genug für zwei ordentliche Mahlzeiten auch in einer gehobeneren Gaststätte.
    Josaphat sah die Münzen mit großen Augen an, jetzt mehr denn je vom Sinn dieser Freundschaft überzeugt, und erhob keine Einwände. Zielstrebig steuerten die Jungs die Taverne an. Unter dem Vorwand, dass ihm etwas kühl sei, betrat Marcellus den Schankraum. Er war nicht sehr voll, mit mehreren leeren Tischen. Marcellus erkannte Tennberg sofort, er saß in einer Ecke und starrte in seinen Becher. Marcellus wählte einen Tisch seitlich von ihm und zog Josaphat mit sich.
    Eine Sklavin stellte sich an ihren Tisch und sah sie erwartungsvoll an. Marcellus machte große Augen. Das Mädchen war

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