Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
Vom Netzwerk:
Verärgert ließ er Wittsand wissen, dass er solche Äußerungen nicht für Aberglauben hielt, sondern für unverantwortliches Gerede, das die Moral untergrub und dicht an der Grenze zum Verrat lag. Der kleine Senator erbleichte und erklärte hastig, dass er selbstverständlich auch dieser Ansicht war.
    »Bitte, bitte, meine Herren, kein Streit«, griff der Bürgermeister schlichtend ein. »Wir sollten uns vielmehr alle gemeinsam freuen, dass unsere Stadt in diesen schweren Stunden einen solchen Beweis der Wertschätzung und des Vertrauens von allerhöchster Stelle erfährt. Und ich habe noch eine weitere Mitteilung, die ganz besonders Sie begrüßen werden, verehrte Frau Dühring.«
    Alexandra rechnete mit dem Schlimmsten, lächelte aber tapfer. »Nun, Herr Bürgermeister, ich bin gespannt.«
    »Sie werden verstehen, dass nach diesem fürchterlichen Vorfall die Sorge um die Sicherheit Seiner Majestät noch erheblich gewachsen ist. Aber nachdem ich geschildert hatte, dass unsere Polizei selbst mit Ihren bewundernswerten Bemühungen nicht in der Lage ist, ihre Anstrengungen nochmals zu steigern, zeigten sich die Herren äußerst verständnisvoll und zuvorkommend. Am Kaisertag werden Beamte des Reichsamtes für Militärische Sicherheit und der Geheimen Reichssicherheitspolizei anwesend sein und die zusätzlichen Maßnahmen zum Schutz des Kaisers durchführen. Das dürfte Sie gewiss erfreuen, Frau Dühring.«
    Obwohl Alexandra dem Bürgermeister beipflichtete, war sie nicht sicher, ob sie sich über die eigentlich sehr willkommene Entlastung tatsächlich freuen sollte. Sie hatte sehr schlechte Erinnerungen an die Sicherheitspolizei. Bei dem Gedanken, dass diese Leute teilweise die Fäden in Lübeck in die Hand nehmen sollten, und sei es auch nur für einen Tag, kroch ein unangenehmes Gefühl in ihr empor.
    Christian Kaacksteen nickte zustimmend. »Eine vernünftige Entscheidung. Frau Polizeipräsidentin, Herr Bürgermeister, meine Herren Kollegen, bitte entschuldigen Sie mich jetzt. Ich muss mich noch auf eine Versammlung des Deutschen Luftflottenvereins vorbereiten, bei der ich heute Abend sprechen werde. Ich wünsche Ihnen allen noch einen guten Tag.«
    Er lüftete kurz den Zylinder und ging. Auch Bürgermeister Pagels und Senator Wittsand verabschiedeten sich, sodass nur noch Senator Frahm zurückblieb.
    »Nach diesem recht bedrückenden Vormittag«, sagte der alte Herr, »würde ich mich beim verspäteten Mittagessen sehr über angenehme Gesellschaft freuen. Darf ich Sie einladen, Frau Dühring?«
    In einer entschuldigenden Geste breitete Alexandra die Hände aus. »Es tut mir wirklich leid, aber ich könnte das Essen nicht genießen und wäre auch kein guter Gesprächspartner, weil ich ständig an die unerledigte Arbeit denken müsste, die sich auf meinem Schreibtisch stapelt. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel.«
    »Ganz und gar nicht, ich kenne das aus eigener Erfahrung. Auf Wiedersehen, und lassen Sie sich nicht so grenzenlos von der Arbeit vereinnahmen, wie es bei mir zuweilen der Fall ist.«
    Alexandra versprach es ihm und ging dann schnellen Schrittes hinüber zum Polizeipräsidium.
    Ein wenig plagte sie das schlechte Gewissen, weil sie Senator Frahm angelogen hatte. Sie würde sich nämlich nicht in ihrem Büro in den Akten vergraben, sondern einkaufen gehen. Friedrich Prieß hatte ihr eine Notiz hinter den Badezimmerspiegel geklemmt, die sich als Besorgungsliste mit seltsamem Inhalt herausgestellt hatte. Bei einigen der aufgeführten Dinge rätselte sie immer noch, was er damit vorhaben mochte. Doch zunächst wollte sie endlich den sperrigen Degen loswerden.
      
    Nachdem Prieß den Reißverschluss zugezogen hatte, vollführte er weit ausgreifende Bewegungen mit den Armen und ging einige Schritte auf und ab, wobei er die Beine übertrieben stark anwinkelte und streckte.
    »Sitzt perfekt«, war sein zufriedenes Urteil, »wie angegossen.«
    Er trug einen am ganzen Körper eng anliegenden Anzug aus gummiartig elastischem Material, der eigentlich für Sporttaucher gedacht war; einer von der Sorte, wie ihn reiche Müßiggänger benutzten, wenn sie in den Korallenriffen der deutschen Südseeinseln tauchten. Bei denjenigen, die es sich leisten konnten, war dieses exotische neue Vergnügen sehr beliebt und galt als unkonventioneller als die sonst üblichen luxuriösen Reisen an die Riviera oder Zeppelin-Kreuzfahrten.
    »Ausgesprochen kleidsam. Du kannst so was gut tragen«, kommentierte Alexandra

Weitere Kostenlose Bücher