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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Wichtigkeit; ein Schwätzer und Phrasendrescher, der fest davon überzeugt war, die militärische Lage wie kein anderer zu überblicken, sich dabei aber von allen Kampfhandlungen fernhielt. Das allerdings war der einzige Zug, den Rommel an ihm schätzte, denn so musste er die Gegenwart des Obersts nicht allzu häufig ertragen.
    Doch so gern er Bartz auch einfach fortgeschickt hätte, er konnte es nicht. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Immerhin war es möglich, dass der Oberst wichtige Anweisungen aus Berlin für die zweifellos bevorstehende Kapitulation der chinesischen Streitkräfte brachte. Widerwillig setzte Erwin Rommel sich auf, schloss den Uniformkragen wieder und trug dem Adjutanten auf, Bartz hereinzubitten.
    Dann wollte er sich erheben, aber als er seine schmerzhaft ziehenden Muskeln fühlte, blieb er lieber sitzen. Schließlich, so dachte er, hatte er nach dieser mörderischen Woche jedes Recht, seinem Körper ein wenig Ruhe zu gönnen; außerdem war er General und hatte es gar nicht nötig, für einen Rangniedrigeren aufzustehen, schon gar nicht für den unangenehmen Bartz.
    Kaum einen Wimpernschlag später kam der Oberst in das Zelt, ein übergewichtiger Mann mit gewachstem Schnurrbart im teigigen Gesicht und wulstig vernarbten Schmissen auf den Wangen, sichtbare Überbleibsel seiner Studentenzeit und vermutlich die einzigen Verletzungen durch Waffengewalt, die er je erleiden würde. Der blaue Uniformrock spannte straff über seinem voluminös gerundeten Leib, in der einen Hand hielt er die Schirmmütze und in der anderen eine glänzende lederne Aktentasche.
    »Herr General«, sagte er und knallte die Stiefelhacken zusammen, »es ist mir eine besondere Freude, Sie als Erster zu Ihrem großen Sieg beglückwünschen zu dürfen.«
    »Danke, Oberst. Aber wir sollten nicht voreilig sein. Noch haben die Chinesen nicht kapituliert.«
    »Was das betrifft, habe ich gute Nachrichten. Die Funker der Japaner haben eine chinesische Meldung dechiffriert, der zufolge General Wang morgen früh Parlamentäre entsenden wird, um seine Kapitulation anzubieten.«
    Auch das war einer der Gründe, wieso Rommel den Oberst nicht mochte: Er schien immer alles als Erster zu wissen. In diesem Moment war er jedoch viel zu erleichtert über die Aussicht, dass nun wirklich alles bald überstanden sein würde, um sich über Bartz zu ärgern.
    »Das ist noch nicht alles, Herr General«, fuhr der Oberst fort, und ein überzogenes Lächeln erschien auf seinem aufgeschwemmten Gesicht. »Wir erhielten zwei Funkdepeschen aus Deutschland, und ich schätze mich ungemein glücklich, sie Ihnen zu überbringen, Herr General. Seine Majestät Kaiser Wilhelm III. erhebt Sie für Ihre Verdienste in den erblichen Adelsstand und verleiht Ihnen zur bleibenden Erinnerung an Ihren herrlichen Triumph den Titel eines Grafen von Kai-Feng.«
    Rommel wusste, dass er sich eigentlich hätte freuen müssen. Aber das Gefühl, sich diese Ehrung mit dem Leben anderer erkauft zu haben, lastete schwer auf ihm.
    Dennoch setzte er eine Miene würdevoller Genugtuung auf und erwiderte: »Das ist in der Tat eine bedeutende Auszeichnung. Graf von Kai-Feng, sagten Sie? Dann ist die Aufteilung Chinas folglich beschlossene Sache?«
    »Jawohl, Herr General. Sie tritt im Augenblick der Kapitulation in Kraft. Dieses Gebiet wird dann zur neuen Kolonie Deutsch-China gehören, und die übrigen Mächte haben ihrerseits auch schon genauestens festgelegt, welche Provinzen dieses Landes sie in Besitz nehmen werden. Von der chinesischen Republik wird nur ein unwichtiger Rumpfstaat übrig bleiben. Sie haben wahrhaft Großes vollbracht.«
    Großes! Was ist denn Großes daran, einen Staat zu zerschlagen, der dreitausend Jahre Bestand hatte? , dachte Rommel zynisch. Das Gleiche haben die Germanen mit dem Römischen Reich getan … und dafür nennen wir sie heute Barbaren. Ich würde zu gerne wissen, welche Bezeichnung die Geschichte für uns als Belohnung für diese Heldentat bereithält …
    »Sagen wir, ich hatte Anteil daran, gewisse Resultate zu erzielen«, entgegnete er ausweichend. »Sie sprachen von zwei Depeschen. Was ist der Inhalt der zweiten?«
    Bartz’ ohnehin schon abstoßendes Lächeln wurde so monströs, dass Rommel das Bild einer breitmäuligen, vollgefressenen Kröte in den Sinn kam. »Herr General, Ihr Souverän, der König von Württemberg, verleiht Ihnen mit sofortiger Wirkung den Rang eines Feldmarschalls der württembergischen Armee. Gestatten Sie mir, Ihnen meine

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