Kaisertag (German Edition)
ergebenste Gratulation auszusprechen.«
Rommels Überraschung war echt. Er war trotz seiner bürgerlichen Herkunft zum jüngsten General des Reichsheeres aufgestiegen und hatte geglaubt, damit den Gipfel seiner Karriere erreicht zu haben. Doch mit gerade einmal dreiundfünfzig Jahren den Marschallstab zu erhalten – eine Ehre, die normalerweise höchstens greisen Generalstäblern oder ausgewählten Angehörigen herrschender Häuser zuteilwurde –, hatte er nicht erwartet. Es handelte sich also um ein echtes Zeichen besonderer Wertschätzung, und gerade das verstärkte seine Schuldgefühle noch. Er kam sich mehr und mehr wie ein Grabschänder vor, der sich nicht damit zufriedengab, die Toten auszuplündern, sondern auch noch auf ihren Gräbern tanzte.
»Ich bin tief berührt«, sagte er, und es war nicht gelogen.
Der Oberst entnahm seiner Aktentasche die Mitschriften der beiden Funksprüche und überreichte sie mit feierlicher Miene. »Ihre Waffentaten in diesem Kriege erheben Sie in die Reihe der großen Helden unseres Volkes, Herr General … vergeben Sie mir, ich meinte natürlich: Herr Feldmarschall«, versicherte Bartz in pompösem Tonfall. »Sie stehen als Gleicher neben hehren Gestalten wie Arminius dem Cherusker, Friedrich dem Großen, Blücher und Moltke.«
»Mit dem Unterschied, dass jene alle tot sind und ich noch lebe«, bemerkte Rommel trocken. Er fühlte sich unwohl dabei, in einem Atemzug mit längst Verstorbenen genannt zu werden.
»Herr Feldmarschall haben einen bemerkenswerten Humor«, lachte der Oberst, der nicht begriffen hatte, dass Rommel absolut nicht nach Scherzen zumute war. »Doch es ist keine Übertreibung: Sie sind nun ein Nationalheld. Man wird Sie bei Ihrer Rückkehr stürmisch feiern, und die Öffentlichkeit wird Ihrem Wort fortan unschätzbares Gewicht beimessen. Was immer Sie sagen, werden Millionen von Menschen hören und in sich aufnehmen. Ihnen kommt hinfort beträchtlicher Einfluss auf das Denken und Handeln zahlloser Deutscher zu.«
Das war eine weitere Vorstellung, die Erwin Rommel überhaupt nicht behagte. Als Offizier gab er einen präzisen Befehl, den seine Soldaten ebenso präzise ausführten. Das Ergebnis hing nur davon an, dass er die Aufgabe klar umriss. Doch wenn er zum Vorbild für ein ganzes Volk wurde, war jede seiner Äußerungen plötzlich ein schwammiger, schlecht formulierter Befehl. Er konnte nicht wissen, was die Leute aus seinen Worten herauslesen würden. Es war unkontrollierbar und damit gefährlich. Er wollte nicht die Verantwortung dafür tragen, wenn jemand in einigen beiläufigen, unbedachten Sätzen die Legitimation für irgendwelche wirrköpfigen Taten oder Ansichten zu erkennen glaubte. Aber würde sich das jetzt überhaupt noch verhindern lassen?
»Ja«, pflichtete er dem Oberst bei, »das denke ich auch.«
»Es freut mich, dass Sie meine Ansichten teilen, Herr Feldmarschall. Nun wäre es aber fraglos ein Jammer, ließen Sie Ihre neu gewonnenen Möglichkeiten ungenutzt, statt sie in den Dienst einer guten, einer großen Sache zu stellen.«
»Denken Sie dabei an etwas Bestimmtes, Oberst Bartz?«
»Wenn Herr Feldmarschall gestatten: Ja. Nach beinahe drei Jahren, die ich in Ihrer nächsten Umgebung verbringen durfte …«
Außer wenn ich an der Front war , hätte Rommel zu gerne eingeworfen, denn von allem, was auch nur entfernt nach Gefahr aussah, hast du aufgeblasener Wichtigtuer dich ja immer wohlweislich ferngehalten.
»… darf ich mich – mit Verlaub – rühmen, Sie besser zu kennen als manch anderer. Wem sind Ihr Charakter, Ihre Geisteshaltung so vertraut wie mir? Daher hege ich nicht den leisesten Zweifel, dass Sie das, was ich Ihnen mitteilen soll, gewiss mit Begeisterung aufnehmen werden.«
Was für ein elender Wortklauber , dachte Rommel. Doch nun war sein Interesse geweckt; er wollte wissen, was sich hinter Bartz’ aufgeblähten Formulierungen versteckte.
»Bitte reden Sie doch weiter«, forderte er ihn auf. »Sie haben mich neugierig gemacht. Was haben Sie mir zu eröffnen?«
»Herr Feldmarschall, Ihnen wird das Privileg zuteil, Aufnahme in den Kreis der Puppenspieler zu finden.«
»Puppenspieler?« Rommel meinte, sich verhört zu haben.
»Ich weiß, dies bedarf der Erklärung, Herr Feldmarschall. Erlauben Sie gütigst, dass ich dazu ein wenig aushole. Können Sie sich die späten Regierungsjahre Kaiser Wilhelms II. vergegenwärtigen?«
Die Frage musste einfach rhetorisch gemeint sein, denn Wilhelm II. war erst drei
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