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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Ferne gerückt.
    Mein Gott , dachte Alexandra, ich möchte heute Nacht kein Däne in Schleswig-Holstein sein!
    Im Nebenraum schrillte das Telefon. Ohne Bedauern schaltete Alexandra das Radio aus und ging hinüber in das kleine Arbeitszimmer mit Fenster zum Garten. Als sie den Hörer des Apparats auf dem Schreibtisch abnahm und sich mit ihrem Namen meldete, bereitete sie sich innerlich schon auf weitere unerfreuliche Neuigkeiten vor.
    »Bitte helfen Sie mir!«, keuchte ein Mann am anderen Ende der Leitung. Seine verängstigte Stimme kam Alexandra bekannt vor, aber sie konnte sie nicht einordnen.
    » Sie werden mich töten. Ich brauche Schutz! Beschützen Sie mich vor ihnen!« , ächzte der unbekannte Anrufer verzweifelt.
    »Bleiben Sie ganz ruhig«, versuchte Alexandra ihn zu beschwichtigen, »und sagen Sie mir zunächst, mit wem ich überhaupt spreche.«
    Für zwei Sekunden herrschte Stille, nur das leise Rauschen der Telefonleitung war vernehmbar. Dann sagte der Anrufer: »Ich bin Dietrich Sebastian Wilhelmi, Frau Polizeipräsidentin. Und ich befinde mich in sehr großer Gefahr. Wenn Sie mir keine Hilfe gewähren, werden sie mich umbringen!«
    Nun erst erkannte Alexandra die durch Angst entstellte Stimme wieder. Aber was hatte den Hauptpastor von St. Marien in solche Panik versetzt? Noch ehe sie ihm diese Frage stellen konnte, fuhr er bereits fort, um Hilfe zu flehen:
    »Bitte schützen Sie mich vor ihnen! Ich kann mich an niemanden sonst wenden … niemand, dem ich trauen könnte …«
    »Wer will Sie umbringen, Herr Pastor? Und warum?«, hakte Alexandra befremdet und beunruhigt nach.
    »Nicht am Telefon … ich weiß nur, dass Sie ganz sicher nicht zu ihnen gehören. Wenn Sie mir helfen, werde ich … ich kann Ihnen sagen, wer – wer den Anschlag in Kronsforde in Wahrheit begangen hat. Sie waren es, keine Dänen. Und jetzt wollen sie auch mich … um Himmels willen, bitte kommen Sie rasch, bevor es zu spät ist …«
    Es knackte in der Leitung. Wilhelmi hatte aufgelegt.
    Für einige Augenblicke stand Alexandra wie erstarrt mit dem Telefonhörer in der Hand neben dem Schreibtisch. Sie konnte es nicht glauben. Sollte Wilhelmi ein Puppenspieler sein? Denkbar schien das angesichts seiner Geisteshaltung. War er mit seinen Mitverschwörern, aus welchen Gründen auch immer, in Konflikt geraten? Falls das stimmte, dann war es vollkommen logisch, wenn er nun seine ärgste Gegenspielerin um Hilfe bat. Er hatte lange genug mit ihr in Fehde gestanden, um sicher zu sein, dass sie keine Verbündete seiner erzkonservativen ehemaligen Freunde sein konnte. Vielleicht war es eine Falle. Vielleicht war sie inzwischen ins Fadenkreuz der Puppenspieler geraten. Vielleicht bot sich jetzt aber auch eine einmalige Chance, den Verschwörern einen empfindlichen Schlag zu versetzen.
    Alexandra warf den Hörer auf die Gabel des Telefonapparats und lief eilig aus dem Arbeitszimmer hinaus in Richtung Haustür.
      
    »Oh, dann sind Sie es, den der Herr Pastor erwartet?«, fragte Wilhelmis Haushälterin, die Alexandra die Tür geöffnet hatte. Die kleine dünne Frau mit dem strengen Haarknoten und dem harten ostpreußischen Akzent erweckte den Eindruck, als würde sie nur selten Fehler machen; umso peinlicher war es ihr offensichtlich, dass ihr nun ein Irrtum unterlaufen war. »Und ich habe den Herrn, der eben gerade hier war, zur Kirche hinübergeschickt … der Herr Pastor wird ungehalten sein.«
    »Es hat sich jemand nach Pastor Wilhelmi erkundigt? Wer? Und wann war das? So antworten Sie doch!«, drängte Alexandra. Sie hatte eine alarmierende Vorahnung.
    Die Haushälterin schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich habe den Herrn noch nie vorher gesehen. Und ich hätte einen Mann mit solchem Vollbart sicher nicht vergessen, wenn er schon einmal beim Herrn Pastor zu Gast gewesen wäre. Er hat vor höchstens fünf Minuten nach dem gnädigen Herrn gefragt. Der Herr Pastor war ganz kurz zuvor hinübergegangen in die Kirche und hatte mir vorher gesagt, dass bald ein Besucher kommen würde, den ich nach St. Marien schicken sollte. Und da dachte ich …«
    Alexandra wartete nicht ab, bis die Haushälterin ausgesprochen hatte; sie ließ die Frau in der Tür des Pfarrhauses stehen und lief, so schnell sie konnte, zum Nebeneingang der Marienkirche auf der gegenüberliegenden Seite des schmalen Marienkirchhofs.
      
    Ein kühler, modriger Lufthauch wehte Alexandra entgegen, als sie die verglaste Tür öffnete und von der engen Vorhalle in das

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