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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Scharfschützen nicht finden«, sagte Alexandra. »Wir können bei der Suche auf keinen verzichten. Ich weiß, du kannst den falschen Schnurrbart nicht ausstehen, aber du wirst ihn morgen noch einmal ankleben müssen. Wenn du dann noch deine Uniform trägst, kannst du dich frei bewegen. Dann erkennt dich … stimmt etwas nicht, Fritz?«
    »Was? Wieso?«, schreckte Friedrich auf.
    »Dein Blick ist so merkwürdig … so verschwommen, als wärst du ganz woanders. Was ist dir eben durch den Kopf gegangen?«
    Seine Antwort kam nicht sofort. Es fiel ihm schwer, die richtigen Worte für etwas zu finden, das er selber nicht wirklich begriff. Am liebsten hätte er ganz geschwiegen. »Weißt du, Alexa … es ist nur … ist dir eigentlich aufgefallen, dass wir in der ganzen letzten Zeit kaum über uns gesprochen haben? Ich meine, über private Dinge?«
    Sie atmete mit einem flachen Seufzen aus und ließ sich auf den Stuhl neben Prieß nieder. »Denkst du nicht auch, dass es so besser ist, Fritz? Willst du wirklich zusätzlich zu allem anderen auch noch die Vergangenheit wieder ans Tageslicht zerren, nur damit deine alten Wunden wieder aufbrechen? Wozu sollte das denn gut sein? Willst du dich irgendwie selbst kasteien?«
    »Nein, nein, das ist es nicht«, antwortete er, als würde er um jede Silbe ringen. Und gleichzeitig sah er ihr ins Gesicht und dachte dabei:
    Mein Gott, diese Augen … sie sind immer noch genauso wie damals … aber warum habe ich früher bloß nie bemerkt, wie schön ihre Augen sind …?
    »Aber da sind so viele Fragen, von denen mir einige schon seit Ewigkeiten keine Ruhe lassen … sie sind mir erst jetzt richtig bewusst geworden, wenn du verstehst, was ich meine …«
    Sie nickte kaum wahrnehmbar. »Ich glaube, ich verstehe es. Ungewissheiten, die dich gequält haben?«
    »Die mich immer noch quälen, weil ich keine Antworten finde. Keine Antworten zu haben, das ist das Furchtbarste, was es gibt. Jedenfalls für mich. Vielleicht bin ich ja deswegen ausgerechnet Privatdetektiv geworden. Nicht wegen Dixon Hill. Sondern um für fremde Leute Antworten zu finden und darüber meine eigenen Fragen zu vergessen. Ich kann es nicht sagen.«
    »Sprich die Fragen aus«, riet ihm Alexandra. »Es könnte doch sein, dass du dann endlich Antworten erhältst.«
    »Ich bin mir ja nicht einmal sicher, ob ich die Antworten wirklich hören will«, meinte Prieß finster und zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen. »Und die einzige meiner Fragen, die ich formulieren kann, klingt so – so selbstsüchtig. Du könntest sie falsch verstehen.«
    »Werde ich bestimmt nicht, ich bin jetzt ja gewarnt«, versicherte sie. »Komm, sag es mir. Wer weiß, wann du dazu wieder eine Gelegenheit hast?«
    Friedrich Prieß schloss für einen Moment die Augen, um Mut zu sammeln und sich im Geiste die Worte zurechtzulegen. Dann begann er:
    »Als du damals fortgegangen bist … ist dir das schwergefallen?«
    Für einen Augenblick war es vollkommen still im Raum, sodass Prieß befürchtete, etwas Falsches gesagt zu haben. Doch dann sah er, dass der Ausdruck in Alexandras Gesicht nicht ärgerlich oder verstimmt war, sondern ernst. Sie überlegte und entgegnete dann:
    »Es ist mir sehr schwergefallen. Und es hat mir bestimmt mindestens ebenso schlimme Schmerzen wie dir bereitet. Aber hätte ich diesen Schritt nicht gemacht, wären unsere Gefühle langsam von deinen unausgesprochenen Vorwürfen erstickt worden. Einer von uns beiden musste es beenden. Es war die richtige Entscheidung. Ich würde wieder so handeln. Aber es hat nicht nur dir wehgetan.«
    Keiner sprach. Und diesmal dauerte die Stille länger als nur einige Atemzüge.
      
    Von den groben Balken im Dachstuhl der alten Scheune hingen nackte Glühbirnen an provisorisch befestigten Leitungen hinab. Es waren genug, um den hallenartigen Raum in helles, hartes Licht zu tauchen. Mücken umschwirrten aufgeregt die Lampen, stießen gegen das heiße Glas und starben einen schnellen Tod.
    Die wenigen kleinen Fenster der Scheune waren mit schweren schwarzen Stoffbahnen verhängt, damit auch nicht der kleinste Schimmer nach draußen in die Nacht dringen konnte. Am verschlossenen großen Tor hielten vier Soldaten der Sonderbrigade Wache, für den Fall, dass ein neugieriger Eindringling auftauchen sollte. Kein Unbefugter durfte sehen, was hier geschah.
    In der Mitte des Raumes stand ein schwerer Militärlastwagen, an dem gerade über ein Dutzend Männer in grauen Uniformen arbeitete. Zwei lösten die

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