Kaisertag (German Edition)
noch zu unterstreichen. Die Flut ihrer rotbraunen Haare, die Prieß nie hatte vergessen können, wurde durch ein Haarnetz im Nacken gebändigt. Sie trug die Uniform der Lübecker Polizei, nur mit einem etwas mehr als knielangen Rock anstelle der Hose und mit einer Jacke, die im Schnitt an ihren schlanken Körper angepasst war. Ihr Lippen formten die kaum wahrnehmbare Andeutung eines ungnädigen Lächelns, und in ihren hellen Augen glaubte Prieß, eine Mischung aus Ärger und sarkastischem Mitleid zu erkennen. Er fühlte, dass seine Knie weich wurden und sein Hals trocken und rau wie Schmirgelpapier war.
»Du bist es also tatsächlich«, sagte sie. Alleine der Klang ihrer Stimme, die Prieß so lange nicht mehr gehört hatte, setzte in ihm eine Sturzflut von Erinnerungen frei. Am liebsten wäre er auf der Stelle wieder aus dem Zimmer gelaufen. »Ich muss sagen, Fritz, du überraschst mich. Dass du hierher kommst, hätte ich als Letztes erwartet.«
»Guten Tag, Alexa«, entgegnete Prieß unsicher. »Es … es ist schön, dich wiederzusehen.« Er fühlte den Kloß in seinem Hals. »Das hier … ich meine, es ist großartig, dass du dieses Amt … von dir war ja in den Zeitungen und so schon viel zu lesen … Ich möchte dir gratulieren, und …«
»Die Glückwünsche zu meiner Ernennung kommen ein paar Jahre verspätet. Trotzdem danke. Übrigens habe ich von dir in der Zwischenzeit ebenfalls das eine oder andere gehört, vor allem von meinen Kollegen in Hamburg.«
»Nichts Gutes, vermute ich.«
»Wenig. Aber das kann ich dir ja kaum zum Vorwurf machen. Polizisten haben für Privatdetektive halt wenig Sympathie übrig.« Sie trat hinter den großen Schreibtisch, setzte sich und legte die Hände wie zum Gebet gefaltet vor sich. »Setz dich bitte«, meinte sie, »und sag mir dann, was du wirklich willst. Du bist doch bestimmt nicht zu mir gekommen, weil du den Drang verspürt hast, mir nach vier Jahren zu meiner Ernennung zur Polizeipräsidentin zu gratulieren. Also, was hast du im Sinn, Fritz?«
Prieß nahm in einem der Besuchersessel Platz und suchte verzweifelt nach Worten. »Nun, weißt du … es ist … ich benötige deine Hilfe. Bei einem Auftrag, an dem ich gerade arbeite. Und …«
Alexandra Dühring zog die Augenbrauen warnend zusammen. »Wenn du glaubst, ich würde dich unterstützen, damit du jemandem einen Scheidungsgrund liefern kannst, bist du auf dem Holzweg. Dann solltest du lieber gleich gehen.«
»Nein, nein«, erwiderte Friedrich Prieß schnell, »nicht so etwas. Es ist so …«
Obwohl er immer noch recht unsicher war und auffällig oft Versprecher korrigieren musste, gelang es ihm, in einigen Sätzen zusammenzufassen, wie ihn Franziska Diebnitz’ Zweifel am Selbstmord ihres Mannes nach Lübeck geführt hatten und wie weit er bisher mit seinen Nachforschungen gekommen war.
Nachdem er seine kurze Schilderung beendet hatte, sah ihn die Polizeipräsidentin mit tief gerunzelter Stirn an und sagte dann: »Du glaubst also allen Ernstes, dass ich dir dabei helfe?«
»Um ganz ehrlich zu sein … nicht wirklich. Du hast keinen Grund, irgend etwas für mich zu tun.«
»Ganz recht. Aber dafür habe ich genug gute Gründe, dich vor die Tür setzen zu lassen.« Sie deutete auf die Kragenspiegel mit dem silbernen Eichenlaub an ihrem Revers. »Siehst du das? Diese Rangabzeichen habe ich mir mühsam erkämpft. Und als ich sie endlich hatte, habe ich endlos viel Schweiß und Kraft aufbringen müssen, um in dieser Stadt als Polizeichefin akzeptiert zu werden. Die Anerkennung, die ich jetzt genieße, hat mich vier aufreibende Jahre und viel Herzblut gekostet. Ich habe nicht vor, das alles aufs Spiel zu setzen, indem ich einem obskuren Privatdetektiv, und wenn ich tausendmal vor einer Ewigkeit mit ihm verlobt war, Amtsgeheimnisse verrate!«
Nervös verknotete Prieß seine schweißnassen Finger. »Bitte, Alexa, du weißt ja überhaupt nicht, was für mich von diesem Auftrag abhängt. Seit der … der Sache damals habe ich nie wieder richtig ein Bein auf den Boden bekommen. Schau mich doch an! Ich bin lediglich ein drittklassiger Schnüffler, der im Privatleben anderer Leute herumwühlen muss. Wenn ich es nicht schaffe, dass die Diebnitz mit meiner Arbeit zufrieden ist, dann … dann …«
Er ergriff Alexandra Dührings Hände und klang jetzt nur noch flehend. »Ich bitte dich, ich will da raus. Ich bin für meine Feigheit damals genug bestraft worden! Ich will ja gar nicht, dass du mir verzeihst. Aber bitte,
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