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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Untersuchungen am Fundort der Leiche von der preußischen Polizei durchgeführt. Meine Leute haben die Stelle nur gesichert, aber keine detaillierten Aufzeichnungen angefertigt. Mit einer Ausnahme allerdings …«
    Sie zog einen karierten Zettel von einem Notizblock aus der Handtasche. »Das ist die Adresse des Fotoateliers Castelli. Der Inhaber, Herr Boyens, ist unser vereidigter Polizeifotograf. Eigentlich machen in solchen Fällen erst die Kieler Kollegen Tatortfotos. Aber Boyens war an dem Morgen aus reinem Zufall dort, er hat einige Aufnahmen gemacht und ist wieder abgefahren, noch ehe die Spurensicherer aus Kiel eintrafen. Diese Fotografien stellen keine offiziellen Dokumente dar, weil sie nicht Teil einer Untersuchung der Lübecker Polizei sind. Er kann sie dir daher bedenkenlos aushändigen. Wende dich an Boyens, und wenn er Fragen hat, soll er mich einfach anrufen.«
    Er warf einen Blick auf das Papier und steckte es ein. »Vielen Dank, Alexa. Das ist viel mehr, als ich erwarten durfte. Falls es jemals etwas gibt, das ich für dich tun kann …«
    »Na, ich hoffe doch, dass ich nie einen Privatdetektiv benötigen werde!« Sie lachte, aber als sie sah, dass Prieß verstimmt das Gesicht verzog, wurde sie wieder ernster. »Ich habe dich hoffentlich nicht verletzt, Fritz?«
    »Doch, hast du. Ich weiß, dass mein Beruf anrüchig ist. Aber das musst du mir nicht unbedingt auch noch vor Augen halten.«
    »Spiel jetzt bitte nicht den Beleidigten. Wenn deine Empfindlichkeit so weit geht, dass du schon in einem harmlosen Scherz eine Ohrfeige zu finden glaubst …«
    »Es war eine Ohrfeige!«, sagte Prieß erzürnt und warf beinahe sein Weinglas um. »Reicht es dir denn nicht, dass du mir damals den Boden unter den Füßen weggerissen hast? Dass ich deinetwegen nie mehr richtig Tritt fassen konnte? Musst du mir das jetzt auch noch triumphierend unter die Nase reiben?«
    Alexandra Dühring legte das Besteck aus den Händen und stand von ihrem Stuhl auf. »Du hast dich kein Stück verändert«, sagte sie hart, »aber das hätte ich ja wissen müssen.« Dann ging sie.
    Prieß bleib wie erstarrt zurück. Ihr letzter Satz und wie sie ihn ausgesprochen hatte, war wie ein Blitz aus Eis durch ihn gefahren.
    Ich hirnverbrannter Vollidiot! , hallte es in seinem Kopf. Am liebsten hätte er sich selber geschlagen.
      
    Dämmriges Halblicht umgab Friedrich Prieß. Seine Beine, sein ganzer Körper schienen ihm schwer wie Blei zu sein. Ein kühler, muffiger Lufthauch umstrich ihn. Dann wurde es vor ihm hell.
    Das kalte Licht ließ einen langen Tisch sichtbar werden, hinter dem drei alte, weißhaarige Offiziere mit Unheil verkündenden Mienen saßen. Über ihnen hing ein riesiger kaiserlicher Adler mit weit ausgebreiteten Schwingen und drohend aufgerissenem Schnabel, über dem Kopf die goldene Reichskrone.
    »Leutnant Prieß!«, sagte der mittlere und allem Anschein nach auch älteste der drei Männer heiser. »Sie wurden vor das Ehrengericht des 76. Infanterie-Regiments zitiert, weil uns zugetragen wurde, dass Sie durch Ihr Verhalten dem Ansehen des Regiments, ja des ganzen Offizierskorps Schaden zufügen!«
    Prieß wollte etwas erwidern, aber der Offizier zur Rechten kam ihm zuvor und ließ ihn mit näselndem Tonfall wissen: »Man hat uns mitgeteilt, dass Ihre Verlobte Rechtswissenschaft studiert. Mehr noch, sie macht keinen Hehl daraus, ihr Studium abschließen und später einen Beruf ergreifen zu wollen!«
    »Wer hat Ihnen das gesagt?«, rief Prieß aus. Doch die drei Offiziere schienen ihn nicht einmal zu hören.
    »Es ist unsere feste Überzeugung«, sprach nun der Mann auf der linken Seite, »dass es mit der Ehre eines deutschen Offiziers nicht vereinbar ist, wenn seine zukünftige Ehefrau derartige Absichten verfolgt.«
    Die drei jagten Prieß Angst ein. Je länger er sie betrachtete, umso mehr erinnerten sie ihn an bleiche Mumien, die auf unheimliche Weise noch einen Rest von Leben in sich trugen, deren Seelen aber schon vor ewigen Zeiten ihre faltigen, trockenen Leiber verlassen hatten.
    »Leutnant Prieß, es ist Ihre Pflicht als Soldat, Ihre Verlobte unverzüglich von diesen unnatürlichen Vorstellungen abzubringen. Machen Sie ihr klar, dass sie das Studium aufzugeben hat«, krächzte der älteste Offizier.
    »Und falls sie sich weigern sollte«, setzte der Näselnde hinzu, »werden Sie die Verlobung lösen. Die geheiligten Traditionen unseres Standes verpflichten Sie dazu.«
    Was das Ehrengericht seines Regiments von ihm

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