Kaisertag (German Edition)
hatten. »Falls es Allah so gefällt, wird es so geschehen«, bekräftigte Yüksel Pascha noch einmal, um sich dann wieder dem Manöver zuzuwenden.
In diesem Moment bemerkte Oberst von Rabenacker einen wenige Meter entfernt stehenden älteren Leutnant, an dem ihm einiges merkwürdig erschien. Er entschuldigte sich beim türkischen Militärattaché und ging auf den Mann zu.
Mist, ich bin ihm aufgefallen , dachte Prieß, als der Oberst sich ihm näherte. Was soll’s, dann fällt wenigstens das Problem weg, wie ich ihn am besten ansprechen kann. Mal sehen, was er will.
Prieß salutierte mit knallenden Hacken, und von Rabenacker erwiderte den Gruß.
»Schau an, ein neues Gesicht? Ich sehe Sie zum ersten Mal bei einem Manöver, Leutnant …«
»Leutnant Friedrich Prieß, Herr Oberst, vom 2. Hanseatischen Infanterie-Regiment Nr. 76.«
»Sparen Sie sich das Theater«, entgegnete von Rabenacker unwirsch und kühl. »Sie waren vielleicht wirklich mal Leutnant, aber das dürfte lange her sein. Für Ihren angeblichen Rang sind Sie viel zu alt, Ihre Haare schauen bei Weitem länger unter dem Helm hervor, als die Dienstvorschrift erlaubt, und Ihre Uniform ist völlig veraltet. Wer sind Sie wirklich?«
Dass der Oberst seine Tarnung so schnell durchschaut hatte, ernüchterte Prieß. Es dauerte einige Sekunden, bis er die rasche Demaskierung verdaut hatte und antworten konnte: »Paul von Rabenacker, wenn ich mich nicht irre? Verzeihen Sie bitte diese Verkleidung, meine Reservistenuniform war der einzige Weg, während des Manövers an Sie heranzukommen. Ich bin Privatdetektiv und möchte mit Ihnen gerne über Gustav Diebnitz reden, wenn Sie gestatten.«
Die Augen des Obersts verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Diebnitz? Nie gehört.«
Die offensichtliche Lüge ließ Prieß aufmerken. »Vielleicht habe ich den Namen zu undeutlich ausgesprochen … ich meine Oberst Gustav Diebnitz, Ihren Kameraden von der Offiziersschule, mit dem Sie bis zu seinem kürzlichen Tod befreundet waren.«
»Oh, ja. Natürlich, ich weiß, wen Sie meinen. Traurige Sache, das. Und was haben Sie damit zu schaffen?«
»Wie es aussieht, ist Gustav Diebnitz durch Freitod aus der Welt geschieden« – Prieß beabsichtigte nicht, seine Karten offen auf den Tisch zu legen und verschwieg, dass er es längst besser wusste –, »und ich suche nach den Gründen, die ihn dazu gebracht haben. Darum habe ich Herrn Oberst hier aufgesucht.« Er blickte von Rabenacker direkt ins Gesicht. »Man hat mich informiert, dass Herr Oberst den Verstorbenen kurz vor seinem Tode in seiner Hamburger Villa besucht haben. Er hat Herrn Oberst bei dieser Gelegenheit nicht zufällig etwas anvertraut, das seine Beweggründe für den Selbstmord in ein etwas helleres Licht rücken könnte? Ich wurde nämlich beauftragt von …«
Weiter kam Prieß nicht, denn er hatte eindeutig einen wunden Punkt getroffen. Der Oberst wurde erst bleich, dann verfärbte sich sein Gesicht fast übergangslos zu einem zornigen Rot. Verärgert fuhr er den Detektiv an: »Ich habe nicht die Absicht, über den Tod meines Kameraden zu sprechen, und einem Dahergelaufenen wie Ihnen bin ich auch keinerlei Rechenschaft schuldig! Entfernen Sie sich auf der Stelle, oder ich werde Sie arretieren lassen!«
Der aufgebrachte von Rabenacker drehte Prieß barsch den Rücken zu und stapfte mit wütenden Schritten zurück zu seinen türkischen Gästen. Friedrich hielt es für klüger, die Drohung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und schnellstens aus dem Blickfeld des Obersts zu verschwinden. Mehr würde er hier ohnehin nicht erfahren, und von Rabenackers Reaktion gab ihm bereits genug Stoff zum Nachdenken.
Der Kerl muss einfach in der Sache drinstecken , überlegte Prieß, während er sich zwischen picknickenden Familien und umherschlendernden Zuschauern einen Weg zurück zu seinem Auto bahnte. Ich werde schon herausbekommen, warum er sich so auf den Schlips getreten fühlte. Verlassen Sie sich darauf, Herr Oberst Paul von Rabenacker!
* * *
Manche Türen, die für einen Privatdetektiv fest verschlossen blieben, taten sich weit auf, sobald die Polizeipräsidentin anklopfte. Dorothea Wehnicke machte da keine Ausnahme, wie Alexandra Dühring feststellte. So brüsk sie Friedrich Prieß abgewiesen hatte, so beseelt von Pflichteifer hatte sie die Polizeichefin ins Haus gelassen. Dass sie an diesem Tag eigentlich überhaupt nicht im Dienst war, verschwieg Alexandra der Witwe des Kommerzienrats Wehnicke
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