Kaisertag (German Edition)
Schlachten waren die Spezialität der großen deutschen Studios. In endloser Folge wurden die Siege Friedrichs II., der Kampf gegen Napoleon und der Deutsch-Französische Krieg auf Zelluloid wieder und wieder ausgefochten; Bismarck, der Große Kurfürst oder Blücher erstanden auf der Leinwand von den Toten auf, ohne dass sie sich dagegen hätten wehren können.
» Hohenfriedberg? Wenn ich mir den überhaupt ansehen würde, dann höchstens wegen Iris Berben. Ich möchte mal wissen, welche Rolle die in dem Film spielt. Da haben die Drehbuchautoren die Geschichte wohl wieder mal ganz schön zurechtbiegen müssen, um sie hineinzuschreiben«, spottete Prieß. »Die Berben bringen sie ja in jedem zweiten Film als Blickfang unter, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich könnte wetten, wenn mal der Große Chinakrieg verfilmt wird, dann lassen sie die Frau eine chinesische Prinzessin spielen, nur um sie irgendwie einzubauen.«
Alexandra musste lachen. »Ja, das kann ich mir auch gut vorstellen. Übrigens, ist dir eigentlich schon mal aufgefallen, dass der Chinakrieg bisher noch gar nicht für einen Film herhalten musste?«
»Vielleicht, weil er noch nicht lange genug zurückliegt. Damit so was wirkt, müssen die Ereignisse schon ein bisschen entrückt sein«, vermutete Prieß. »Und ein Film über den Großen Chinakrieg käme ja kaum ohne den Grafen von Kai-Feng aus. Vielleicht hat der ja was dagegen, noch zu Lebzeiten zur Filmfigur zu werden.«
»Der Feldmarschall lebt noch?«, staunte Alexandra.
»Ja, das hat mich auch überrascht. Ich habe neulich in der Zeitung gelesen, dass er bei irgendeinem Veteranentreffen des Expeditionsheeres war. Der Mann muss schon über neunzig sein.«
»Hätte ich nicht gedacht … Fritz, lass uns weitergehen. Ich muss morgen früh aufstehen und brauche meinen Schlaf.«
»Ich auch … aber in den letzten Nächten habe ich gar nicht so gut geschlafen. Und dank dieses seltsamen Zettels und einem ganzen Haufen anderer Sachen, die mir im Kopf umherschwirren, werde ich wohl auch heute nicht so schnell Ruhe finden. Oh Mann, mein Honorar verdiene ich mir wirklich sauer.«
Prieß stöhne Mitleid heischend, erntete aber nur ein Grinsen von Alexandra. Sie ließen die hell erleuchteten Schaukästen des Kinos hinter sich und gingen auf die Mühlenbrücke zu, deren geschwungene Stahlträger sich durch den Schein der Straßenlaternen aus der Dunkelheit herausschälten. Vom Dom her schlug es ein Uhr.
Zum wievielten Mal er sich nun schon im Bett herumwälzte, wusste Friedrich Prieß nicht. Aus dem Dunkel glotzten ihn die grünlich schimmernden Zeiger seines Reiseweckers höhnisch an und schienen sich aus purer Bosheit kaum von der Stelle zu bewegen. Es war, als würde diese Nacht unendlich langsam voranschreiten.
Zu viele Dinge gingen Prieß durch den Sinn: eine überdrehte englische Malerin, die Diebnitz’ Tod einer Notiz für wert befunden hatte; ein Strichjunge, der sterben musste, weil ein anderer Mord vertuscht werden sollte; ein Oberst von Rabenacker, der sich verdächtig verschlossen gegeben hatte; eine von Unbekannten durchsuchte Wohnung; eine Handvoll Menschen, mit denen Prieß gesprochen hatte und von denen jeder zu den Mördern gehören konnte.
Ich sitze in der Klemme. Wenn die jetzt merken, dass mich diese Erpressungsgeschichte nicht beeindruckt, wer weiß, was die dann mit mir anstellen? Aber wenn ich den Fall jetzt aufgebe …
Er führte den Gedanken nicht weiter. Jetzt einen Rückzieher zu machen, kam für ihn nicht infrage. Viel zu viel hing davon ab, wie er diese Angelegenheit zu Ende brachte. Es ging längst nicht mehr nur darum, ob er den Rest seiner Tage damit verbringen würde, schmutzige Fotos für schmutzige Prozesse zu machen. Damit würde er notfalls leben können. Aber nun aufzugeben, vor Alexandras Augen, war für ihn undenkbar. Diesmal würde er nicht den einfachsten Weg wählen. Er würde ihr beweisen, dass er sich verändert hatte und nicht mehr den Rückzug antrat, sobald sich Schwierigkeiten ankündigten.
Draußen fuhr ein Auto vorüber. Das gestreute Licht der Scheinwerfer fiel durch das Fenster, wanderte über die Zimmerdecke und verschwand dann. Der Raum versank wieder in konturlosem Halbdunkel.
Von jetzt an werde ich vorgeben, nicht mehr an dem Fall zu arbeiten … das wird mich erst mal aus der Schusslinie bringen. Also, sagen wir mal, ich habe irgendwie von dem Brief in der Tasche dieses Siegfried Stölle Wind bekommen. Ich habe Franziska Diebnitz gesagt,
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