Kaisertag (German Edition)
dancer.«
Diese Behauptung überraschte Alexandra, denn sie erinnerte sich immer noch sehr deutlich an Friedrichs unbeholfene Versuche, ihr beim Walzer nicht auf die Füße zu treten. Dennoch bedankte sie sich bei Miss Conway für die Anregung und ging dann hinüber zu Prieß.
»Nun, wie sieht’s aus, Fritz?«, fragte sie den Detektiv, der die Geschehnisse vom Fuß der Treppe aus beobachtet hatte. »Forderst du mich zu diesem Zebrawalk auf?«
»Wenn du genug Mut hast, gerne … und wenn die Party vorbei ist«, fügte er geheimnisvoll hinzu, »werde ich dir etwas Hochinteressantes zeigen, aus dem ich noch nicht recht schlau werde.«
Er reichte ihr den Arm und sie gingen in die Mitte des Salons, wo sie sich unter die anderen tanzenden Paare mischten.
»Erstaunlich«, sagte Alexandra leise, »ganz erstaunlich.« Im blassen Schein einer Gaslaterne betrachtete sie den Zettel.
»Genau das war auch mein Gedanke«, meinte Prieß. »Diese Engländerin hat von Diebnitz’ Tod erfahren, und es erschien ihr immerhin wichtig genug, um sich eine Notiz zu machen. Reichlich merkwürdig, findest du nicht auch?«
Sie gab ihm das Papier zurück und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger das Kinn. »Kommissar Zufall liefert uns eine Spur … aber gemeinerweise verrät er uns nicht, was wir damit anfangen sollen. Mit jedem neuen Fingerzeig, der uns unterkommt, wird die ganze Sache verworrener.«
Sie gingen grübelnd die Mühlenstraße hinab. Alles war still, kein Mensch war zu sehen. Nur hinter wenigen Fenstern schimmerte noch Licht, Straßenlaternen verdrängten in regelmäßigen Abständen die Dunkelheit. Über den Dächern der Häuser ragten die beiden hohen Domtürme als schwarze Silhouetten in den Nachthimmel.
Als sie das Lichtspielhaus Stadthalle erreichten, dessen überreich geschmückte neugotische Backsteinfassade im diffusen Schein der Gaslampen unwirklich und fremd aussah, blieb Prieß stehen. Er zeigte auf einen der hell beleuchteten gläsernen Schaukästen mit Kinoplakaten. Auf einem warb ein ernst dreinblickender Sir Patrick Stewart in Trenchcoat und mit breitkrempigem Hut für den amerikanischen Detektivfilm Der große Abschied .
»Der neue Dixon-Hill-Streifen«, sagte Prieß. »Soll der bisher beste sein. Im Moment fehlt mir der Nerv für Mordgeschichten, aber ich werd ihn mir sicher noch anschauen. Ich habe noch keinen der Filme versäumt.«
»Es ist schon lustig, dass ein Engländer diese durch und durch amerikanische Figur so perfekt verkörpert«, sinnierte Alexandra, doch Prieß teilte diese Ansicht gar nicht und widersprach entschieden.
»Na ja, Peter Falk in den Verfilmungen der siebziger Jahre war natürlich ein totaler Fehlgriff … aber Bogart, den wird nie jemand übertreffen. Keiner anderer kann Dixon Hill so genial spielen, einfach großartig. Und dann die Stimmung dieser alten Schwarz-Weiß-Filme … so düster und bedrohlich. Das kriegen die heute in Farbe einfach nicht mehr hin.«
Alexandra zog verständnislos die Augenbrauen in die Höhe. »Wenn du die neuen Filme nicht magst, warum schaust du sie dir dann überhaupt an? Nur, um dich darüber ärgern zu können?«
»Wer sagt, dass ich sie nicht mag? Ich sehe sie sogar gerne, weil sie sich sehr exakt an die Romanvorlagen halten. Habe ich dir je erzählt, dass ich als Gymnasiast alle Dixon-Hill-Bücher hatte?«
»Nur ungefähr tausend Mal«, seufzte Alexandra. »Du hast damals ständig davon geschwärmt, wie du die Bücher verschlungen hast.«
»Sie sind ja auch toll geschrieben. Ich glaube, Dixon Hill war der Grund, warum ich ausgerechnet Detektiv geworden bin, als ich wieder Boden unter die Füße kriegen wollte. Ich hab dann allerdings schnell merken müssen, dass Dixon Hills Welt mit ihren mysteriösen gestohlenen indischen Dolchen, aufregenden geheimnisvollen Witwen ermordeter halbseidener Geschäftsleute und eleganten Überschurken wenig gemein hat mit der grauen Wirklichkeit eines Hamburger Privatdetektivs. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Ich mag die Bücher und Filme, und dabei bleibt’s.«
»Besser als Vaterlandsschinken wie der da sind sie allemal«, meinte Alexandra und deutete auf das Plakat im benachbarten Glaskasten. Dort warb Friedrich der Große hoch zu Ross und mit siegesgewissem Blick für das Schlachtenepos Hohenfriedberg . Gespielt wurde der Preußenkönig wie immer von Arno Wyzniewski, der ihn schon in einem Dutzend Filmen dargestellt hatte. Bildgewaltige Historienstreifen mit aufwendig inszenierten
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