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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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dass ich jetzt den Grund kenne, weshalb sich ihr Mann erschossen hat und dass der Verantwortliche ebenfalls tot ist. Damit wäre meine Arbeit erledigt. Ich bin nur noch in dieser Stadt, um meine ehemalige Verlobte zu besuchen, Punkt. Das verschafft mir eine Atempause … und vielleicht habe ja auch noch eine Idee, wie ich mit dem ganzen Kram weiterkomme. Im Moment trete ich nur auf der Stelle.
    Er spürte, wie die Augenlider schleichend schwerer wurden. Die Müdigkeit begann, die Oberhand über die Sorgen zu gewinnen; die Gedanken schienen immer zähflüssiger zu werden.
    Deuxmoulins … ich muss nochmal mit dem General reden … wegen von Rabenacker. Aber ganz unverfänglich. Vielleicht kennt er ihn … und kann mir etwas über ihn sagen …
    Dann zerfaserte Prieß’ Denken in zusammenhanglose Zuckungen des Hirns, die immer blasser wurden und schließlich flachen Traumbildern wichen.
        
     

Donnerstag, 26. Mai
     
    »Ich bedauere«, sagte die Frauenstimme am anderen Ende der Telefonleitung, »aber der Herr General ist momentan nicht in Lübeck. Er wird keinesfalls vor nächster Woche zurückerwartet.«
    Prieß biss sich ärgerlich auf die Lippe. Aber dann fiel ihm ein, was Deuxmoulins ihm angeboten hatte, und beschloss, davon nun auch Gebrauch zu machen. »Fräulein, der Herr General hat mir zugesagt, dass mich in diesem Fall der vorläufige Leiter der Sicherheitsabteilung empfangen würde.«
    Für einige Sekunden herrschte Stille. Prieß ahnte, was jetzt gerade in der Sekretärin vorging: Einerseits konnte sie es wahrscheinlich kaum fassen, dass jemand wirklich so frech war, einen Termin beim zweitwichtigsten Offizier des Forschungsinstituts zu verlangen. Doch andererseits konnte jemand, der die Durchwahlnummer zum Vorzimmer des Generals besaß, nicht irgendwer sein. Einem solchen Menschen musste man vorsichtshalber zuvorkommend begegnen.
    »Bitte haben Sie einen Moment Geduld, Herr Prieß«, antwortete sie schließlich, »ich werde beim Herrn Major anfragen, ob er Sie empfangen kann.«
    Es knackte in der Leitung; Friedrich verlagerte sein Gewicht vom linken Bein auf das rechte und wartete. Vorsichtshalber warf er einen Groschen in den Münzschlitz des Fernsprechers nach; klappernd verschwand das Geldstück in den Tiefen des schwarz lackierten Metallgehäuses.
    Nach wenigen Augenblicken knackte es abermals im Hörer, und die Sekretärin ließ Prieß wissen: »Herr Major Sonnenbühl wird Ihnen gerne am Sonnabend um zehn Uhr vormittags ein Gespräch gewähren. Ihr Name wird bei der Wache am Haupttor auf der Liste der zum Zutritt berechtigten Personen vermerkt sein.«
    »Verzeihung, Fräulein, sagten Sie Sonnenbühl?«, fragte Friedrich überrascht nach.
    »Ja, Herr Prieß. Sein Büro befindet sich in Haus III, man wird Sie dorthin führen.«
    Friedrich Prieß bedankte sich, hängte den Hörer zurück auf die Gabel und verließ dann mit einem ungläubigen Kopfschütteln die Telefonzelle.
    Zufälle gibt’s, die glaubt man kaum , dachte er. Da höre ich zwanzig Jahre nichts von Max, und dann treffe ich ausgerechnet hier wieder auf ihn … ist schon witzig. Major ist er also, und Leiter der Sicherheitsabteilung. Na, dass der kleine Streber Karriere machen würde, war ja damals schon allen im Regiment klar. Auf das Wiedersehen bin ich mal gespannt …
    Ein weißer Lieferwagen für Stangeneis, gezogen von einem bulligen Kaltblüter, rollte in gemächlichem Tempo an Friedrich vorüber. Die Eisenreifen der hölzernen Speichenräder rumpelten über das Straßenpflaster, die Hufe des Pferdes klapperten auf den Steinen. Ihm folgte ein Kraftfahrzeug, einer der stabil konstruierten Subventions-Lastwagen. Diese Laster waren dafür vorgesehen, im Kriegsfall zum Heeresfuhrpark eingezogen zu werden. Auf diese Weise wollte sich das Reich den kostspieligen Unterhalt Abertausender Militärlastwagen in Friedenszeiten sparen. Jeder deutsche Hersteller von Nutzfahrzeugen musste mindestens eines der weitgehend standardisierten Modelle anbieten. Den Fuhrunternehmern und Firmen sollten die Wagen durch steuerliche Begünstigung schmackhaft gemacht werden, doch nur wirklich hartgesottene Patrioten kauften sie. Die feldtauglichen, strapazierfähigen Laster waren zu schwer, zu unhandlich und viel zu teuer im Betrieb. So kam es, dass der Standard-Lastkraftwagen ein sehr seltener Anblick auf den Straßen des Deutschen Reiches war. Diesen hier, vielmehr den Fahrer des Lasters, fand Prieß ziemlich amüsant. Der Mann schien gar nicht

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