Kaisertag (German Edition)
gleichen Ausdruck devoter Ergebenheit; nur Senator Frahm bildete eine Ausnahme. Er verfolgte von Cholditz’ Vortrag zwar auch mit Aufmerksamkeit, aber in seiner Miene spiegelte sich eine Art ironischer Distanz.
Wenigstens einer, der dem verehrten Herrn Oberst nicht am liebsten die Stiefelsohlen ablecken würde , ging es Alexandra durch den Kopf.
Ihr Förderer und Fürsprecher war, das wusste sie mittlerweile, ein Mann, der sorgfältig auswählte, wem er Respekt erwies. Und dieser Protokolloffizier gehörte ganz eindeutig nicht zu den Leuten, die der Senator seiner besonderen Wertschätzung für würdig erachtete.
»Nun, Fräulein Polizeipräsidentin«, näselte von Cholditz, »können Sie denn für die Sicherheit Seiner Majestät während dieser Fahrt sorgen? Oder übersteigt das Ihre Möglichkeiten?«
Als Fräulein Polizeipräsidentin bezeichnet zu werden, machte Alexandra ohnehin rasend. Doch so, wie dieser Mann die zwei Worte aussprach, klangen sie wie blanker Spott. Er machte sich über die Polizeichefin lustig und ließ sie spüren, dass sie für ihn bestenfalls ein Kuriosum war, vielleicht entfernt vergleichbar mit der bärtigen Dame, die man auf Jahrmärkten begaffen und auslachen konnte.
»Selbstverständlich«, antwortete Alexandra und zwang sich zu einem Lächeln, »werde ich alles tun, was mit den begrenzten Mitteln der Lübecker Polizei möglich ist, um die Sicherheit des Kaisers zu gewährleisten.«
»Man erwartet von der Polizei dieser Stadt, dass sie jegliche Störung des Besuchs bereits im Vorfeld unterbindet. Verdächtige Personen, die beispielsweise den Eindruck erwecken, sozialistische Unruhestifter zu sein, müssen von der gesamten Veranstaltung ferngehalten werden, damit sie gar nicht erst Gelegenheit haben, auf irgendeine Weise in Erscheinung zu treten. Leben hier Dänen, Fräulein Polizeipräsidentin?«
Unter Einsatz ihrer gesamten Willenskraft unterdrückte Alexandra den Drang, von Cholditz mit Männlein Oberst anzureden und entgegnete: »Nur wenige. Meinen Unterlagen zufolge sind beim Polizeiamt zweiundvierzig dänische Staatsangehörige registriert.«
»Das sind zweiundvierzig potentielle Terroristen. Diese Personen sind für die Dauer des Kaiserbesuches unter Hausarrest zu stellen. Leiten Sie alles Nötige in die Wege.«
»Mit Verlaub, Herr Oberst«, meldete sich Senator Frahm zu Wort, »dafür fehlt jede rechtliche Handhabe. Es wäre Freiheitsberaubung.«
Teils mit Schrecken, teils indigniert sahen seine Amtskollegen den Senator an, der es gewagt hatte, dem Vertreter des Kaiserhofs zu widersprechen.
Niemand wagte, ein Wort zu sagen; alle warteten auf die unausweichlich scheinende strenge Zurechtweisung durch den Oberst.
Von Cholditz fixierte den unbotmäßigen Senator verstimmt und wollte gerade den Mund öffnen, doch Alexandra Dühring kam ihm zuvor: »Herr Oberst, ich teile den Standpunkt des Herrn Senators. Zudem geht eine Gefahr, wenn überhaupt, nicht von dänischen Staatsbürgern aus, sondern von Angehörigen der dänischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Daher wären die von Ihnen vorgesehenen Maßnahmen wirkungslos. Für eine derartig überflüssige Aktion kann ich keinen meiner Beamten entbehren, sosehr ich es auch bedaure.«
In Wahrheit bedauerte sie es nicht im Geringsten. Es war ihr sogar ein Vergnügen, dem überheblichen Protokolloffizier, der ihr Befehle erteilen zu können glaubte, die offensichtlich ungewohnte Erfahrung von Widerspruch zu bescheren. Und dass der Oberst mit dieser Situation überfordert war und nun mit empört hinabgezogenen Mundwinkeln den Rückzug antrat, bereitete ihr große Freude.
»Nun gut«, sagte er missgestimmt, »ich verlasse mich auf Ihre Einschätzung der Lage. Vergessen Sie jedoch nicht, dass die Verantwortung bei Ihnen liegt. Fahren wir mit den Planungen fort. Seine Majestät wird also vom Bahnhof kommend den Hanseplatz erreichen. Wie sieht die Begrüßungszeremonie aus, die Sie dort vorgesehen haben?«
Senator Wittsand, ein schmächtiger Mann mit Hornbrille, der dem Festkomitee vorstand, antwortete schüchtern: »Seine Majestät wird von sechs Ehrenjungfern willkommen geheißen und …«
Doch das sagte dem Oberst nicht zu, und er ließ seinen aufgestauten Unmut nun an Wittsand aus: »War das etwa Ihre Idee? Das werden Sie wieder streichen. Der Kaiser lehnt dergleichen ab, es erscheint ihm veraltet und entspricht nicht seinem Geschmack. Seine Majestät bevorzugt schlichte Zeremonien. Ändern Sie das
Weitere Kostenlose Bücher