Kaisertag (German Edition)
, befahl sie sich selbst. Na los, das kann doch nicht so schwer sein … Was war es noch mal? Verflucht, es ist weg! Ich komme einfach nicht mehr drauf. Da war doch eine ganz kleine, unscheinbare Sache … aber welche nur?
Ein schüchternes Klopfen an der Bürotür riss sie aus der mühsam erkämpften Konzentration. »Herein!«, grummelte sie ungnädig. Die Tür öffnete sich, und statt eines Polizisten mit einem Stapel drittrangiger Akten schaute Friedrich Prieß unsicher in das Zimmer.
»Ach, du bist es«, empfing ihn Alexandra halb genervt, halb erleichtert. »Komm rein und setz dich.«
Die schlechte Stimmung der Polizeichefin ließ Prieß einen Moment zögern, aber dann folgte er der Aufforderung doch. »Ich hoffe, ich störe nicht«, sagte er, während er auf einem der Sessel Platz nahm. »Ich hatte es zuerst bei dir zu Hause versucht, aber deine Haushälterin sagte mir, dass du noch hier bist. Und weil im Vorzimmer keiner mehr ist, habe ich einfach angeklopft.«
Die Polizeipräsidentin rieb sich die Augen. »Nein, das ist schon gut so. Wenn du nicht gekommen wärst, hätte ich wohl noch bis spät in die Nacht hier gesessen und mir das Hirn zermartert. Gibt’s was Neues?«
»Leider nicht. Ich habe den ganzen Tag telefoniert und versucht, eine Spur von diesem dämlichen Lämmle zu finden. Ergebnis: null. Der Kerl treibt mich zur Weißglut. Aber vielleicht finde ich am Sonnabend was heraus.«
»Am Sonnabend? Wieso?«
»Ich habe einen Termin bei Diebnitz’ früherem Stellvertreter und augenblicklichem Nachfolger auf seinem Posten als Sicherheitschef. Und jetzt rate mal, wer das ist. Jede Wette, du kommst nicht drauf.«
»Fritz, ich hatte einen üblen Tag. Mir ist nicht nach Ratespielen.«
»Es ist Maximilian Sonnenbühl! Na, erinnerst du dich?«
Alexandra rieb sich nachdenklich das Kinn. »Warte mal … ja, richtig. Dein Regimentskamerad Max. Mit dem und seiner Verlobten haben wir doch die Radtour durchs Alte Land gemacht, nicht? So ein Rothaariger, der sich gerne selber reden hörte, und das Mädchen hieß Charlotte.«
»Stimmt genau, Applaus für dein Gedächtnis«, entgegnete Friedrich. Dann erschienen Falten auf seiner Stirn und er meinte besorgt: »Aber sag mal, du siehst ja gar nicht gut aus. Hast du heute überhaupt schon was gegessen?«
»Merkwürdig, dieselbe Frage stellt meine Mutter auch jedes Mal, wenn ich sie besuche. Ja, habe ich. Aber nicht viel, ich konnte kaum etwas herunterbringen. Zu viel Ärger verdirbt den Appetit.«
»So geht das nicht, Alexa, du solltest schnellstens was in den Magen bekommen. Ich könnte eben in das Lokal gegenüber laufen und dir wenigstens ein Schinkenbrot holen, wie wär’s damit?«
»Nett gemeint«, erwiderte sie, »aber was ich wirklich brauche …«
Schinken!
»Schinken, das war’s!«, rief sie aus und schlug mit den Handflächen auf den Schreibtisch.
Erschrocken fuhr Prieß zusammen und blickte sie verstört an.
»Fritz, ich muss ein Brett vor dem Kopf gehabt haben. Was sage ich, einen ganzen Dachbalken! Die alte Wehnicke hat mir erzählt, dass Lämmle jedes Mal, wenn er nach seinem freien Wochenende zurückkam, frische Wurst, Schinken und so mitgebracht hat. Was sagt dir das?«
»Er war wohl oft auf dem Lande«, antwortete der Detektiv sofort. »Hier in der Stadt kann man am Wochenende, wenn alle Geschäfte geschlossen haben, ja nirgendwo Wurst bekommen.«
»Das denke ich auch. Aber wenn er Woche für Woche raus aufs Land gefahren ist, dann doch wohl nicht nur wegen des leckeren Aufschnitts. Lämmle hat sicher jemanden besucht, wahrscheinlich Verwandte, die einen Hof besitzen oder so etwas in der Art. Und wenn das stimmt – gäbe es ein besseres Versteck als einen unverdächtigen Bauernhof? Wer würde ihn da vermuten?«
»Das ist ja alles gut und schön«, gab Prieß zu bedenken, »aber es hilft uns nicht wirklich weiter. Wir wissen ja gar nicht, wen er besucht haben könnte. Und es kann Wochen dauern, bis wir etwas über seine Verwandtschaft herausfinden.«
Alexandra faltete die Hände vor sich auf dem Tisch und schaute Friedrich beinahe mitleidig in die Augen, was ihn nervös machte.
»Fritz, diesmal bist du aber der Blinde. Wir wissen doch, dass Diebnitz jedes Schriftstück pedantisch abgeheftet hat. Dann muss er auch Lämmles Lebenslauf aufbewahrt haben. Der Mann wird sich ja irgendwann einmal um die Stellung beim Oberst beworben haben. Ich bin sicher, dass ein Geheimdienstoffizier von einem künftigen Sekretär einen sehr
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