Kaisertag (German Edition)
das?«
Lämmle schaute Prieß mit rötlich glänzenden Augen an. »Sie sind doch einer von denen, die den Oberst auf dem Gewissen haben, oder? Ich sage Ihnen, ich weiß von nichts. Aber das glauben Sie mir ja doch nicht. Machen Sie schon, dann habe ich’s hinter mir.«
Prieß wurde hellhörig.
Der Erste, abgesehen von der Witwe, der nicht an einen Selbstmord glaubt. Und er hat rasende Angst, dass die Mörder ihn ebenfalls im Visier haben könnten. Ich glaube, mit dem Burschen habe ich einen Volltreffer gelandet. Jetzt muss ich unbedingt mehr aus ihm herauskitzeln. Hoffentlich bringe ich dieses Häuflein Elend dazu, mir mehr zu verraten.
»Wie kommen Sie auf die Idee, dass ich Sie töten will?«, fragte Prieß ruhig.
»Was denn sonst? Wenn Sie die Mittel haben, mich zu finden, dann gehören Sie sicher zu den Leuten, denen der Oberst auf der Spur war. Darum musste er doch sterben, habe ich nicht recht?«
Das wird ja immer interessanter. Bin ich am Ende wirklich auf der richtigen Fährte?
Friedrich bemühte sich, seine Aufregung zu verbergen, und fuhr fort: »Ich weiß nicht, warum Oberst Diebnitz tot ist. Aber ich will es herausfinden. Mein Name ist Prieß, ich bin Privatdetektiv. Angehörige des Verstorbenen, die auch nicht an einen Selbstmord glauben, haben mich engagiert. Ich soll die Wahrheit herausfinden.«
In Karl Lämmles verzweifelte Gesichtszüge mischte sich etwas, das wie ein Hauch von Hoffnung mit einer Prise Hohn wirkte. »Das soll ich Ihnen abnehmen? Privatdetektiv … als ob man mit so was einen Detektiv betrauen würde. Andererseits – es wäre eine zu schlechte Lüge. Etwas so Unglaubwürdiges denkt sich niemand aus. So eine miese Legende würde sich keiner zulegen. Vielleicht stimmt es ja, was Sie sagen …«
Zum allerersten Mal war Prieß für den schlechten Ruf seiner Branche fast dankbar.
Doch noch war Lämmle nicht überzeugt, er starrte den Detektiv mit skeptisch zusammengekniffenen Augen an und fragte: »Aber selbst wenn das vielleicht die Wahrheit ist – wer soll denn Ihr Auftraggeber sein? Erzählen Sie mir jetzt nicht, Sie würden für die Witwe des Obersts arbeiten.«
Prieß konnte sich nicht erklären, wieso der letzte Satz wie ein bitterer Witz klang.
Um Lämmles Vertrauen zu gewinnen, entschied er sich, mit offenen Karten zu spielen und sagte: »Sie liegen richtig, es war Frau Diebnitz, die sich an mich gewandt hat. Sie glaubt nicht, dass ihr Mann den Freitod gewählt hat, und ich habe Grund, ihre Ansicht zu teilen. Aber ich weiß immer noch nicht, wer nun wirklich für Oberst Diebnitz’ Tod verantwortlich ist.«
»Ausgerechnet seine Frau«, schnaubte Lämmle. »In den ganzen Jahren war es ihr herzlich gleichgültig, wie es ihrem Mann erging. Und jetzt ist sie mit einem Mal die rächende Witwe?«
»Wie das Verhältnis meiner Klientin zu ihrem Ehemann war, ist für mich belanglos«, erwiderte Prieß. In Wahrheit jedoch hätte er schon gerne gewusst, was hinter Lämmles Worten steckte, aber er bezähmte seine Neugierde und setzte hinzu: »Es muss Ihnen und mir reichen, dass Frau Diebnitz einen Selbstmord für ausgeschlossen hält, dass sie sich in den Kopf gesetzt hat, die wahren Schuldigen zu finden, und dass sie sich durch nichts von dieser Absicht abbringen lässt.«
»Das klingt allerdings sehr nach ihr.« Karl Lämmle formte mit dem Mund etwas, das entfernt an ein humorloses Grinsen erinnerte. »Schön, nehmen wir also an, Sie sind nicht hergekommen, um mich zu beseitigen. Was wollen Sie dann von mir?«
»Eine ganze Menge. Mich würde interessieren, weshalb Sie sich so sicher waren, dass Gustav Diebnitz ermordet wurde, warum Sie so plötzlich von der Bildfläche verschwunden sind, ob sich Ihr Chef in der Zeit vor seinem Tod ungewöhnlich verhalten hat … da wäre schon einiges, was Sie mir erzählen könnten.«
Lämmle reckte ablehnend das Kinn vor und verschränkte trotzig die Arme. »Träumen Sie weiter. Warum sollte ich Ihnen vertrauen? Ich habe keinen Grund, Ihnen auch nur ein Wort zu sagen.«
»Das sehe ich aber ganz anders. Denken Sie mal nach: Sie waren der persönliche Sekretär eines hohen Geheimdienstoffiziers, der, wie wir beide wissen, mit einem vorgetäuschten Selbstmord ums Leben gebracht wurde. Sie sind kurz nach der Vernehmung untergetaucht und halten sich jetzt unter anderem Namen und mit gefälschten Papieren auf dem Hof Ihres Schwagers versteckt. Die mecklenburgische Polizei würde sich dafür sicher brennend interessieren. Und wenn die es erst
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