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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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weiß, dann erfahren es möglicherweise auch die Mörder, vor denen Sie sich geflüchtet sind. Ich müsste nur zum Landjägerposten im nächsten Dorf gehen. Wollen Sie das etwa?«
    Prieß gab sich den Anschein völliger Überlegenheit, aber er fühlte sich gar nicht wohl dabei. Er hasste es, jemanden auf solche Weise zu erpressen, und hatte auch nicht vor, Lämmle tatsächlich der Polizei auszuliefern. Er wollte den Mann mit dieser Drohung lediglich gesprächiger machen, und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Lämmle riss die Augen auf und krächzte: »Das können Sie nicht tun! Das wäre vielleicht mein Todesurteil!«
    Scheinbar ungerührt entgegnete Prieß: »Ich kann und ich werde, falls Sie mir nicht haarklein das erzählen, was ich von Ihnen hören will. Die Wahl liegt ganz bei Ihnen.«
    Nur das Fragment einer Sekunde verstrich, doch in dieser unfassbar kurzen Zeitspanne schien Lämmle um Jahre zu altern. Sein Gesicht wurde aschfahl. Er öffnete den Mund, und es dauerte einen Moment, bis er tonlos sagte: »Fragen Sie.«
    »Na also, es geht doch. Schildern Sie mir einfach, was vorgefallen ist. Wenn mir etwas unklar ist, werde ich schon nachhaken.«
    »Ich werde ein wenig ausholen müssen …«
    »Ich habe Zeit. Fangen Sie an.«
    Gequält atmete Lämmle noch einmal tief durch, dann begann er mit der Darstellung der Dinge, wie sie sich aus seiner Sicht abgespielt hatten; unverhüllter Widerwille und hilfloser Zorn zeichneten dabei sein Gesicht.
    »Etwa vor zwei Monaten fielen mir kleine Veränderungen im Verhalten des Obersts auf. Etwas hat ihn beschäftigt. Nach über fünfundzwanzig Jahren in seinen Diensten wusste ich, wie er war, wenn ihn eine Sache nicht losließ. Aber was das war, habe ich nicht erfahren, jedenfalls nicht bis Anfang Mai.«
    »Anfang Mai? Was passierte da?«
    »Er hatte eine Woche daheim in Hamburg verbracht, und als er nach Lübeck zurückkam, wirkte er … es ist schwer zu beschreiben. Ich glaube, es war wegen der Dinge, über die er sich die ganzen Wochen zuvor den Kopf zerbrochen hatte. Ich hatte den Eindruck, dass während der Woche in Hamburg etwas Wichtiges geschehen war, das ihn endlich weiterbrachte. Vielleicht war ihm ein entscheidender Einfall gekommen, ich weiß es nicht. Danach sprach er auch zum ersten Mal mit mir darüber.«
    Das war nach Rabenackers Besuch! , durchfuhr es Prieß. Ist das etwa nur ein Zufall? Wohl kaum.
    »Hochinteressant«, sagte der Detektiv. »Und was haben Sie da erfahren?«
    Lämmle antwortete nicht sofort; es kostete ihn sichtlich Überwindung. Aber schließlich erwiderte er: »Der Oberst meinte: ›Karl, jetzt wird es ernst. Ich bin den gefährlichsten Feinden des Reiches auf den Fersen, und ich werde sie unschädlich machen. Wir können niemandem trauen, sie sind überall.‹ Das war alles.«
    »Er hat über solche Dinge mit Ihnen geredet?«, fragte Friedrich zweifelnd.
    »Selbstverständlich!«, entgegnete Karl Lämmle beinahe empört. »Glauben Sie, ich hätte nur seine Briefe zum Postamt bringen dürfen? Der Herr Oberst schätzte nicht nur meine Fähigkeiten als Sekretär, er hat mich auch oft bei seinen Ermittlungen eingesetzt. Ich besaß sein volles Vertrauen.«
    »Verstehe. Und er hat nicht gesagt, wer diese Feinde Deutschlands sind oder was sie vorhaben?«
    »Nein. Aber er ließ mich noch wissen, dass er bald eine wichtige Aufgabe für mich hätte. Und zwei oder drei Tage später händigte er mir einen versiegelten Umschlag aus, den ich sorgfältig aufbewahren sollte. Später wollte er mich wissen lassen, wem ich den Umschlag überbringen sollte.«
    Nachdenklich knetete Prieß die Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger. Wenn Lämmle die Wahrheit sagte, hatte der Oberst sich sehr seltsam verhalten.
    »Gab es denn einen Grund, warum Sie den Brief nicht einfach sofort überbringen konnten?«, fragte er.
    »Der Herr Oberst meinte, es könnte sein, dass er ein neues Schreiben aufsetzen müsste. Vielleicht erwartete er noch weitere Informationen.«
    »Wäre immerhin möglich. Und was geschah weiter?«
    »Am zehnten Mai kam er abends nicht aus dem Forschungsinstitut zurück. Das war nichts Ungewöhnliches, er arbeitete oft die Nacht durch. Diesmal aber kam am nächsten Vormittag die Polizei, und ich erfuhr, dass sich der Herr Oberst erschossen haben soll. Für mich stand gleich fest, dass es kein Selbstmord sein konnte. Das waren die Reichsfeinde, denen er auf der Spur war. Sie hatten ihn umgebracht. Und nun stellen Sie sich vor, wie ich

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