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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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Konstruktion eine Reihe von Statuen verdecken und wäre auch sonst sehr ungünstig platziert. Ich schlage vor, die Tribüne unmittelbar vor dem Holstentor zu errichten. Die Wirkung wäre ungleich eindrucksvoller.«
    Der Offizier zog missbilligend die Brauen zusammen. »Der Standort der Tribüne wird von allerhöchster Stelle so gewünscht, eine Änderung kommt nicht infrage. Ihre Einwände sind daher unwesentlich. Weitere Unklarheiten gibt es nicht? Sehr gut.«
    Du hast ›Rühren! Wegtreten!‹ vergessen , spottete Alexandra in Gedanken. Und diesen Kerl muss ich morgen noch einmal einen ganzen Tag erdulden … Nein, ich beschwere mich nicht. Ich sollte lieber froh sein, dass ich nicht mit ihm verheiratet bin. Autsch, was für eine gruselige Vorstellung. Bei dem hängt doch sicher der Spruch ›Gemeinen Soldaten, Pferden und Frauen ist das Denken untersagt‹ gerahmt über dem Kamin.
    »Fräulein Polizeipräsidentin, wie steht es mit den Sicherheitsvorkehrungen?«, schnarrte von Cholditz.
    »Ich bin zufrieden«, antwortete Alexandra. »Ich habe mit General Beinart vom hier stationierten 162. Infanterie-Regiment gesprochen. Er wird seine Feldgendarmen zur Unterstützung der Polizei abstellen. Dadurch stehen deutlich mehr Leute für die Wahrung der Ordnung und die Sicherheit des Kaisers zur Verfügung.«
    Und wenn du mich noch einmal ›Fräulein Polizeipräsidentin‹ nennst, stopfe ich dir deine Pickelhaube in deinen Hintern, bis dir das arrogante Grinsen ein für alle Mal vergeht.
    Der Oberst nickte knapp mit dem scharf profilierten Kopf. »Recht so. Nun, das wäre alles für heute. Ich erwarte Sie alle morgen zur abschließenden Besprechung im Rathaus.« Mit diesen Worten entließ er seine Zuhörer und ging. Alexandra atmete unhörbar auf, verabschiedete sich rasch von den übrigen Anwesenden und beeilte sich dann, den deprimierenden Hanseplatz durch den Nebeneingang hinter dem Holstentor so schnell wie möglich zu verlassen.
    Als sie gerade durch das Stadttor hindurchging, kam ihr auf der Treppe, die zur Straße hinaufführte, Friedrich Prieß entgegen. »Schön, dich zu sehen«, begrüßte sie ihn, »wenn ich auch nicht weiß, wie du mich hier gefunden hast.«
    »Zauberer verraten ihre Tricks nicht … na ja, um ehrlich zu sein: Ich habe einfach den Polizisten in deinem Vorzimmer gefragt.«
    »Ach, was für eine enttäuschend billige Methode. Und, war Lämmle wirklich auf dem Hof seines Schwagers? Hattest du Erfolg?«
    Prieß hob die Schultern. »Das sind zwei Fragen. Ja, Lämmle hatte sich tatsächlich dort versteckt. Damit hast du absolut richtiggelegen, Respekt. Aber Erfolg … wie man’s nimmt.«
    Er schilderte kurz seine Begegnung mit Karl Lämmle; dann zog er den geöffneten Umschlag aus der Innentasche seines Jacketts und überreichte ihn Alexandra. »Wir haben also vielleicht den Schlüssel zu Diebnitz’ Tod. Aber wie’s aussieht, fehlt uns jetzt der Schlüssel zum Schlüssel. Oder wirst du aus diesem codierten Schreiben schlau?«
    Sie betrachtete die sorgfältig geschriebenen Zahlenreihen mit zunehmendem Stirnrunzeln. »Ach du lieber Himmel. Das sind böhmische Dörfer für mich. Gott weiß, welchen Code dieser Geheimniskrämer da benutzt hat. Wenn wir doch wenigstens wüssten, für wen diese Nachricht bestimmt war … Wie war das? Er war Feinden des Reiches auf der Spur, sagtest du?«
    »Angeblich sogar den schlimmsten, die man sich nur vorstellen kann. Ich habe schon überlegt, ob wir die ganze Sache nicht lieber dem RMA übergeben sollten …«
    Die Polizeipräsidentin sah ihn strafend an. »Ist das dein Ernst? Nicht mal Diebnitz selber wollte seine eigenen Kollegen einweihen. Sie sind überall, ich kann niemandem trauen – so oder ähnlich hat er es doch gegenüber Lämmle ausgedrückt, wenn ich dich recht verstanden habe. Falls der Oberst nicht gerade unter Verfolgungswahn litt, hatte er sicher gute Gründe für so viel Vorsicht. Meinst du nicht auch?«
    »Vorsichtig genug war er wohl trotzdem nicht. Immerhin ist er tot«, bemerkte Prieß trocken.
    »Stimmt genau, und ich will nicht, dass es uns am Ende noch genauso ergeht. Dieser Brief bleibt unser Geheimnis. Wo steht dein Auto?«
    »Vor dem Revier. Ich bin das kurze Stück hierher zu Fuß gegangen.«
    »Dann machen wir uns jetzt auf den Weg zu meinem Büro. Dort werden wir Fotokopien von diesem Schreiben machen, nur vorsichtshalber. Man kann nie wissen.«
    Sie stiegen die Treppe empor, ließen das Holstentor und die Salzspeicher am Traveufer

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