Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
Vom Netzwerk:
täusche ich mich oder bedrückt Sie etwas? Diesen Eindruck machen Sie auf mich zumindest.«
    Im Stillen amüsierte Prieß sich darüber, dass ihn der Professor ständig junger Mann nannte, aber aus der Perspektive des alten Herrn war fast jeder jung. Außerdem war es Friedrich nicht unangenehm.
    »Bedrücken ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck«, entgegnete er, »aber Sie haben nicht ganz unrecht. Mir lassen einige Dinge keine Ruhe, und ich wollte mich durch einen Abendspaziergang ein wenig ablenken.«
    »Wenn ich Ruhe suche, junger Mann, dann finde ich sie im Garten. Die Mannigfaltigkeit der Pflanzen, die Vielfalt der Farben und Formen, die Faszination des ewigen Kreislaufes des Werdens und Vergehens … es gibt keinen besseren Balsam für einen geplagten Geist. Das habe ich schon vor vielen Jahren gemerkt, als ich noch Assistent bei Professor Einstein war.«
    Die Vorstellung, seine Sorgen mit Gartenarbeit zu vertreiben, erschien Prieß nicht sehr verlockend. Zu abschreckend waren die Erinnerungen an seine Kindheit, als er den größten Teil der Sommerferien im Garten seines Großvaters hatte verbringen müssen. Seitdem überließ er die Erde unter den Fingernägeln gerne anderen, entspannend fand er Unkraut jäten absolut nicht.
    »Ich danke Ihnen für diesen Rat, Herr Professor. Aber ich fürchte, Blumen sind nichts für mich. Ich denke, ich würde keine Erholung bei einer Beschäftigung finden, die mir nicht gefällt.«
    »Wir alle sind manchmal gezwungen, Dinge zu tun, die uns nicht gefallen …«, murmelte Beinfeldt sehr leise, als ob er gar nicht bemerken würde, dass er die Worte tatsächlich aussprach und nicht nur dachte. Prieß verstand nicht, was der Professor damit sagen wollte. Aber er vermied es nachzufragen, weil er das Gefühl hatte, als wäre diese Bemerkung gar nicht wirklich für ihn bestimmt gewesen.
    Irgendwo in der Dämmerung schlug eine Kirchturmglocke halb neun, und mit einigen Augenblicken Verzögerung schlossen sich die Kirchen der Altstadt in der Ferne an.
    »Wie rasch doch die Zeit vergeht. Junger Mann, ich muss mich nun leider von Ihnen verabschieden. Meine Haushälterin sieht es ungerne, wenn ich mich zum Abendessen verspäte«, entschuldigte sich Beinfeldt. Prieß gab dem Professor die Hand und versicherte ihm noch einmal, was für eine außerordentliche Ehre ihm diese Begegnung war. Dann gingen die zwei Männer auseinander; Beinfeldt zog sich in die Villa zurück, Friedrich Prieß setzte seinen Weg fort.
    In den stillen Straßen leuchteten die elektrischen Laternen auf. Ihr anfangs mattes grünliches Licht ging schnell in ein warmes Gelb über. Prieß fand, dass es langsam Zeit wurde, ins Hotel zurückzukehren. Es war ein anstrengender Tag gewesen.
        
     

Sonnabend, 28. Mai
     
    Wieder wurde Friedrich Prieß, nachdem er aus seinem Auto gestiegen war, von einer drei Mann starken Eskorte über das Gelände des Forschungsinstituts geführt.
    Als sie das Gebäude erreichten, in dem einem Schild neben dem Eingang zufolge die Sicherheitsabteilung untergebracht war, kam ihnen ein Major in der feldgrauen Uniform der Sonderbrigade entgegen. Prieß erkannte seinen ehemaligen Regimentskameraden Maximilian Sonnenbühl sofort wieder. Sein Gesicht mit dem charakteristischen Grinsen, das stets den Anschein erweckte, er habe eine Million Mark in der Lotterie gewonnen, war zwar längst nicht mehr so rundlich wie zwanzig Jahre zuvor, doch das war abgesehen von einigen Falten um den Mund auch schon die einzige augenfällige Veränderung.
    »Fritz, alter Junge! Schön, dich endlich mal wiederzusehen. Das muss doch eine Ewigkeit her sein!« Er ergriff Friedrichs Hand und schüttelte sie überschwänglich.
    »Ich freu mich auch, dich nach so langer Zeit zu treffen«, erwiderte Prieß. »Major der Sonderbrigade … alle Achtung, du hast dich ja ganz schön rausgemacht.«
    »Ach, weißt du … Sekunde, Fritz, warte mal.« Sonnenbühl wandte sich an den Leutnant, der die Eskorte führte, und schickte ihn mitsamt seinen beiden Soldaten fort.
    »Na, ist das nicht ein bisschen riskant? Ich könnte doch ein Spion sein, der sich hier mal umsehen möchte«, lachte Prieß.
    »Du brauchst keine Wachhunde. Ich werde schon dafür sorgen, dass du unseren Geheimnissen nicht zu nahe kommst. Also, keine eigenmächtigen Abstecher, oder ich muss dich leider erschießen«, witzelte Sonnenbühl.
    »Alter Scherzkeks, dir werd ich was husten. Der Anzug ist fast neu, wehe du schießt mir da Löcher rein. Mensch,

Weitere Kostenlose Bücher