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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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bringe, bevor ich noch durchdrehe.
    Um ihn herum waren die Dorfbewohner mit den letzten Vorbereitungen für das jährliche Feuerwehrfest beschäftigt. Vor dem Festzelt befestigten einige Männer mit kräftigen Hammerschlägen die noch lockeren Bretter der Tanzfläche; sofern das Wetter keinen Strich durch die Rechnung machte, was jedoch sehr unwahrscheinlich war, würde die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr am Nachmittag zum Tanz im Freien aufspielen. Gegenüber davon war ein gutes Dutzend Leute dabei, die Spiele für die Kinder vorzubereiten. Auf einer Rasenfläche wurde mit Papierfähnchen ein Parcours für den Sackhüpf-Wettbewerb abgesteckt; ein knorriger alter Bauer stellte eine Fußballtorwand nach Augenmaß auf und ließ sich nicht von einem viel jüngeren Mann beeindrucken, der mit einer Wasserwaage prüfen wollte, ob die Wand denn auch ganz gerade ausgerichtet war. Zwei Mädchen schmückten jeden Telefonmast, Zaun und was immer sonst ihnen in den Sinn kam, mit bunten Girlanden.
    An dem Kriegerdenkmal, an dessen Granitsockel Prieß wartete, hatten sie ihr Werk bereits unübersehbar vollbracht. Der Detektiv musterte die Bronzestatue des heroisch dreinblickenden Soldaten, der seinen Stiefel triumphierend auf das abgebrochene Haupt eines chinesischen Tempellöwen gesetzt hatte, und befand, dass dieses Standbild durch die Dekoration mit rot-gelben Girlanden und das Fähnchen im Lauf des Karabiners durchaus an Attraktivität gewonnen hatte.
    »Sie sind also gekommen«, hörte er plötzlich jemanden hinter sich sagen. Prieß fuhr herum.
    Vor sich sah er einen dunkelhaarigen Mann von vielleicht vierzig Jahren, gekleidet in einen hellen Sommeranzug. Sein Gesicht war ihm fremd, aber dafür war ihm die Stimme vertraut: Es musste sich um den geheimnisvollen Anrufer handeln.
    »Und wie ich sehe, Herr Prieß, sind Sie tatsächlich alleine hier. Das ist gut. Sie verstehen das Geschäft.«
    »Wer sind Sie und warum wollten Sie mich hier treffen?«, fragte Friedrich. Seine Nervosität ließ ihn die Worte barsch ausstoßen, ohne dass er es wollte.
    »Das sollen Sie erfahren«, erwiderte der Fremde mit undurchsichtiger Miene. »Vermutlich wissen Sie es ja ohnehin bereits oder werden es bald wissen, daher dürfte Versteckspielen überflüssig sein. Ich bin Hauptmann Hermann Weinberg vom Reichsamt für Militärische Aufklärung.«
    Im Geiste zuckte Prieß zusammen, doch es gelang ihm, nach außen Gelassenheit vorzutäuschen. »Sehr angenehm. Und was möchte das RMA von mir?«
    »Das RMA? Nichts. Nur ich. Dies hier ist sozusagen eine Privatangelegenheit von mir. Aber nein, das stimmt nicht ganz. Für eine reine Privatsache hängt viel zu viel davon ab. Zur Sache, Herr Prieß. Ich weiß, was Sie sind. Major Sonnenbühl ist eben nur ein Soldat, kein Geheimdienstmann, daher hat er Sie nicht durchschaut. Doch mich konnten Sie nicht täuschen. Sie gehören zu den Schatten, das habe ich schnell begriffen.«
    »Zu den Schatten?«, wiederholte Prieß ratlos.
    Aber der Hauptmann nahm seine Verwirrung nicht zur Kenntnis und sprach weiter: »Übrigens, meine Anerkennung für Ihre Tarnung. Privatdetektiv … darauf muss man auch erst einmal kommen. Zweifellos haben Sie und Ihre Freunde viele Jahre harter Arbeit investieren müssen, um diese Identität so überzeugend und lückenlos aufzubauen. Eine großartige Leistung, Sie haben meinen vollen Respekt dafür. Wissen Sie, nachdem Sie bei General von Deuxmoulins vorgesprochen hatten, meinte Sonnenbühl, Sie seien nur ein ungefährlicher Versager, um den wir uns nicht weiter zu kümmern brauchen. Dem Major fehlt halt das nötige Gespür. Und als ich gestern beobachten konnte, wie perfekt Sie Ihre Rolle durchhalten …«
    »Zur Sache, Herr Weinberg«, unterbrach Prieß. Er wollte nicht an die Ereignisse des vergangenen Tages erinnert werden. »Warum bin ich hier?«
    »Damit Sie erfahren, wieso Oberst Diebnitz ermordet wurde. Ich gehe davon aus, dass bei den Schatten niemand ernsthaft glaubt, der Oberst könnte wirklich Selbstmord verübt haben. Sonst hätte man keinen Grund, einen erstklassigen Mann wie Sie hierher zu schicken.«
    Der will mich doch verarschen , argwöhnte Prieß. Von was für Schatten redet der? Und für wen hält er mich bloß?
    Er konnte sich keinen Reim darauf machen, aber da der Hauptmann anscheinend etwas über den Mord wusste und darüber zu reden bereit war, entschloss er sich, das Spiel mitzuspielen.
    Keiner der beiden Männer bemerkte den unscheinbaren Lastwagen mit

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