Kaktus zum Valentinstag
gehört, wie einer den anderen energisch angeblafft und gefragt habe: »… und ich dachte, das wär ’ne Wanderergruppe. Das ist ’ne Hochzeit! Mann! Warum steht das denn so nicht im Terminkalender?«
Ich hatte einfach nur Plätze in diesem schönen Ausflugslokal reservieren lassen, mehr nicht. Also passt für mich alles. Wir haben alle viel Spaß, das Essen schmeckt und viele Seeschiffe schippern auch am Ausflugslokal vorbei. Herrlich juchziger zweiter Ringtag! Denn ab heute steht ein zweites Datum in unseren Ringen, der 14.7.1993.
Drei Tage nach dem 14.7.1993, welch schöne Zahl, findet die kirchliche Trauung in Gadenstedt statt. Weil ich hier aufgewachsen bin, weil hier Andorra State liegt, mein Heimatland, die States of Japetus on Earth. Weil hier nach wie vor meine Papamamas wohnen.
Bei schönem Wetter verlassen wir in Hochzeitskleidung das Haus der Papamamas, gehen den Trittstein hinunter, den ich dreizehn Jahre lang als Schüler gegangen bin. Draußen warten die ganzen Hochzeitsgäste, um sich hinter uns einzureihen. So bewegt sich unser kleiner Festumzug die 700 Meter zur Gadenstedter Sankt-Andreas-Kirche, in der die kirchliche Trauung vorgenommen werden soll.
Als Trauspruch haben wir einen Bibelvers gewählt, der eine doppeldeutige Aussage enthält. Er steht in Psalm 36, Vers 10:
»Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Licht sehen wir das Licht!«
Mir gefällt dieser Spruch. Es ist auch mein Konfirmationsspruch. Damals habe ich im »dir« den Herrn, also Gott, und im »wir« die Menschen allgemein gesehen, so ist es wohl auch gemeint. Das ist die eine, die offizielle Aussage. Aber mit unserer aufziehenden Hochzeit deute ich den Spruch für uns um in eine noch viel weitergehende, sehr persönlich auf uns zutreffende Aussage: »dir« ist der Partner, »wir«, das sind allein wir beide, mein Gnubbelchen und ich!
Und Quelle, das erinnert mich an die Weserquelle. Die Weserquelle gibt es nämlich gar nicht, sondern sie entsteht durch Zusammenfluss, Vermischung und Vereinigung aus zwei anderen Flüssen, der Werra und der Fulda. Wenn man heiratet, dann bildet man fortan eine Einheit. Die Hochzeit als Beginn, als Quelle gemeinschaftlichen Lebens.
Mein Gnubbelchen wird mir noch mehr Zugang zur Welt der anderen Menschen verschaffen, und ich verschaffe ihr dafür noch mehr Zugang zu allem, was irgendwie mit Sachwissen und Logik zu tun hat. Früher dachte ich immer, dass man gleichartige Interessen haben müsse und gleichartig gebaut sein müsse, um sich zu mögen. Aber ich habe eben nur gedacht und noch nicht nachgedacht!
Immer wenn in den vielen Liebesfilmen, die ich analysiert habe, die Hochzeit in Szene gesetzt wurde, kam dieses kitschige »Willst du, lieber Blablabla, diese hier anwesende Blablabla zur Frau nehmen, so antworte mit ›Ja‹«, was dann immer mit einem knappen »Ja!« behaucht wurde. Das ist mir zu billig für einen solchen Moment. Ich will es noch romantischer haben. Unser Jawort soll einzigartig sein, sozusagen untoppbar!
Um das zu bekommen, haben wir dreierlei Dinge ausgewählt, die unsere Trauung einzigartig machen sollen. Da ist zunächst einmal dieWahl der Kirche. Die herrliche Kirche in Gadenstedt, an der viele Kindheitserinnerungen hängen. Dann die Trauformel, eine Langfassung, damit der Moment der Momente im Leben richtig ausgekostet und verinnerlicht werden kann. Und selbst den Pastor haben wir uns ausgesucht.
Es ist der Mann von Katrin, meiner Schulbekanntschaft, die mir damals in vielen Briefen immer wieder schrieb, was sie alles an mir auszusetzen habe und dass sie mich nur darauf hinweisen wolle, dass die allermeisten Menschen für viele Verhaltensweisen, die ich habe, keinerlei Verständnis haben würden.
Mit ihren Briefen hat sie quasi bei Gott die Gnade für mich bestellt, dass ich trotz aller Probleme im subtilen zwischenmenschlichen Umgang schaffen möge, was ich mir erträume. Da sie noch nicht ganz fertig mit ihrer Ausbildung zur Pastorin ist, hat ihr Mann, ebenfalls Pastor, nun den Auftrag, uns zu trauen, angenommen, sozusagen als Hochzeitsgeschenk.
Natürlich haben wir uns auch die Lieder, die die Gemeinde in der Kirche singen soll, ausgesucht, darunter: »Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe das sind Worte und Taten.« Liebe erreicht man nicht und dann ist man da. Wie ein Reiseziel. Nein. Liebe ist der Weg zum Ziel. Denn wahre Liebe ist wie die Glut des Kaminfeuers, wenn man kein Holz nachlegt, erlischt sie!
Der Pastor lässt mein Gnubbelchen
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