Kaktus zum Valentinstag
entpuppt sich als afrikanischer Sommer mit Temperaturen bis nahezu 40 Grad. Wir beschließen daher, für uns eher unüblich, zur Abkühlung nach England zu fahren. Fernreisen kommen im Moment ja nicht in Frage, da für das Haus gespart wird.
Am 12. August 2003, einem sonnengebleichten, weißrotblauen Tag, besucht die ganze Familie, die RaRas, die Mau und ich, Stonehenge. Zeit, mal wieder die Omaopas anzurufen. Als ich dann ein mitgenommenes Nothandy ans Ohr halte, das nur eingeschaltet ist, wenn dies dringend erforderlich scheint, um nicht immer und überall gestört zu werden, erreichen mich als Erstes gleißend helle, stechendeWorte der Locken: »Peeeeter, zwei Tage haben wir nach euch gesucht, sogar im Verkehrsfunk seid ihr gewesen, überall, aber wir haben euch nicht gefunden!« Nach einer kurzen Atempause ergänzt sie knapp und schattig: »Peter, der Opa ist tot!«
Dann herrscht Stille, während ich auf die mächtigen Megalithen starre. Es ist der Moment, in dem ich versteinere, der Moment, in dem Stonehenge so einen weiteren Megalithen erhält: mich. Nichts Irdisches erreicht mich mehr. Ich starre himmelwärts. Der braune Brummelbär hat es geschafft, dem körperlichen Kerker zu entkommen. Er wird nie wieder in seinem braunen Ledersessel sitzen.
Wenn ich nach Hause komme, dann ist da kein Opa mehr, der sich nach den RaRas erkundigt. Wenn ich nach Hause komme, dann ist es dort endgültig nicht mehr so, wie es mein ganzes bisheriges Leben war. Eine Zäsur. Das Ende einer Ära. Es gibt keine Papamamas mehr. Eine Situation, die mich völlig unvorbereitet trifft.
Der braune Brummelbär war zwar schon lange sehr krank, aber für mich war es dennoch unvorstellbar, dass er auf einmal nicht mehr da sein könnte.
So ist es nun für mich unbegreiflich, wie es zu Hause aussehen soll, wenn dort der Opa nicht mehr abends in seinem braunledernen Fernsehsessel sitzt. Dann kippt der Megalith aus Fleisch und Blut. Er fällt ins Gras. Das Gras kitzelt meine Arme, weil ich hier im ärmellosen T-Shirt bin, weil es so heiß ist. Ungewöhnlich heiß, auch in Stonehenge!
Ganz allmählich verflüssigt sich meine Versteinerung. Augenregen kitzelt sich über mein Gesicht ins Gras. »Was sollen denn die Leute denken?«, fragt die Mau. »Was die Leute denken, das ist mir fast immer egal gewesen. Die wundern sich sowieso nur. Lass mich in Ruhe!«
In vielen Situationen hilft nur eines: mich in Ruhe lassen. Und mich ganz von selbst den Weg aus der Situation finden lassen, den ich gehen muss, um mich wieder wohlzufühlen. Als ich mich nach einer Stunde wieder gefunden habe, als mich wieder die Dinge erreichen, die direkt um mich herum liegen und passieren, greife ich still zum Handy.
Denn die Oma wünscht sich doch so sehr, dass wir bei der Beerdigung dabei sind. Sie haben es schon aufgeschoben, getragen von der Hoffnung, wir könnten es noch schaffen, rechtzeitig nach Hause zu kommen. Wir vollenden die Besichtigung von Stonehenge und fahren anschließend direkt nach Deutschland.
Still steuere ich uns Richtung Gadenstedt. Wir nehmen entgegen aller meiner Gewohnheiten den schnellsten und kürzesten Weg. Das geht nur in Trance. Im Vergessen dessen, was um mich herum ist. Tief unter dem Ärmelkanal starre ich auf die Gleise, auf dem Hinweg waren wir mit der Fähre nach England gekommen. Ein Platzregen geht in meinem Gesicht nieder.
Noch ein kurzer Stopp bei einem Schnellrestaurant in Calais, dann geht es in die dunkle Nacht. Als der nächste Morgen graut, sind wir fast da. Dann stehe ich vor dem Schlafzimmerfenster der Papamamas, aus dem dann die Locken schaut. Eine andere Zeit ist angebrochen. Stille unter der hohen dreiarmigen Birke, dem Wahrzeichen von Andorra State.
Die Beerdigung selbst ist für mich ein sehr emotionales Ereignis. Aber nicht so, wie es die anderen erwarten. Sondern ganz anders. Mein innerer Wutvulkan bricht aus. Weil alle was von mir wollen. Weil alle mir sagen wollen, was ich zu tun und zu lassen habe. Weil sehr viel Stress verbreitet wird. Der Tag, an dem der Körper des braunen Brummelbären in die Erde des Friedhofs von Gadenstedt kommen soll, ist für mich kein Tag, an dem ich in Ruhe und Frieden gelassen werde, um die neue Situation zu verarbeiten, sondern ein Kampftag. Ein Tag, an dem ich tilte.
Dabei geht es doch lediglich darum, den Umzug eines Körpers, dem die Seele, das die Welt Wahrnehmende, entschwunden ist, durchzuführen. Vielleicht wäre es für mich doch besser gewesen, dass wir nicht extra aus
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