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Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Kaleidoscope: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Darryl Wimberley
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Weg durch die Trauben von Männern, Frauen und Fahrradfahrern zur Straßenbahn bahnte, die mit einem Funkenregen angefahren kam. Jack ging auf der Straßenseite, auf der sich das Gefängnis befand, auf und ab wie ein Hund, der nach einer verborgenen Fährte suchte. Noch einmal betrachtete er die verblasste Lithographie, die Bladehorn ihm gegeben hatte.
    Es war Sally. Unreine Haut, kantiges Gesicht, schmale Augen, mausbraune Haare.
    »Herrgott«, hatte Jack protestiert, als Fist ihm das Bild gegeben hatte. »Damit soll ich sie finden?«
    »Sie ist die Einzige, die morgen freigelassen wird«, hatte Fist erwidert. »Du musst einfach nur hingehen.«
    Aber Jack kam zu spät. Viel zu spät. Es war fast acht, auf der Straße ging es zu wie auf einem Basar und er hatte keine Ahnung, wo er nach Sally Price suchen sollte.
    Ein lautes Klingeln ertönte. Die Straßenbahn. Durch die wabernde Menge von Radfahrern und Pendlern hindurch erblickte Jack eine Frau, die mit einem Koffer und einem Coney Dogkämpfte. An diesem Morgen waren nicht allzu viele Frauen mit Koffern unterwegs. Es sah so aus, als ob …
    »Hab ich dich doch!«
    Jack hechtete über die Straße und wurde von einem Fahrrad voll am Knie erwischt, sodass Sprinter und Radler wie zwei Footballer gemeinsam zu Boden gingen.
    Der Radler fluchte laut unter seiner Bretzel mit ihren verbogenen Speichen.
    »Ach, scher dich doch zum Teufel!« Jack stand humpelnd auf, um sich durch die Menschenmenge zu kämpfen, die ihn von Sally trennte.
    Wo war sie nur?
    Da! Da war sie, in der Straßenbahn!
    Sie saß im unteren Teil des Doppeldeckers ganz hinten zwischen zwei Pendlern, eine mausgraue Frau mit dem Anflug eines Lächelns im Gesicht.
    »Alle an Bord.«
    Jack humpelte auf den Doppeldecker zu. Er wurde von einem Fußgänger geschnitten. Der verdammte Kerl hätte ihn fast umgerannt.
    »HEY, MANN!«, rief Jack ihm herausfordernd nach, aber der andere raste einfach an ihm vorbei und sprang wie ein gottverdammter Hirsch vom Bürgersteig in den Bus.
    Er war groß, der Späteinsteiger, und blond. Eine Blume im Knopfloch seiner Weste. Neue Melone und Gamaschen.
    Ihre Blicke trafen sich kurz. Aus der Ferne. Flüchtig. Aber dann knisterten die Oberleitungen und Jack war noch ein paar Meter entfernt, als die Straßenbahn klappernd die sanfte Steigung Richtung Vine Street nahm.
    »ANHALTEN!«
    Jack sprintete nun am Hotdog-Karren vorbei. Die Straßenbahn war schon angefahren und beschleunigte.
    »FAHRER, WAAAAAARTEN SIE!«
    Aber die Straßenbahn ratterte lautstark davon und wurde noch schneller, als sie die Anhöhe hinauffuhr.
    »HERRGOTT, SO WARTEN SIE DOCH!«
    Sally drehte sich um und sah einen Mann die Schienen entlanglaufen, seine Rufe vom Rattern der Räder auf den Schienen übertönt. Er wirkte ziemlich albern, wie Charlie Chaplin. Ein gut aussehender Mann, der sein Knie hielt, während er der Straßenbahn hinterherlief.
    Kurz sah es so aus, als würde er es tatsächlich schaffen. Mit einem Endspurt erreichte Jack beinah die Bahn.
    »KANN JEMAND …!«, keuchte er in vollem Lauf.
    Aber dann stolperte er.
    Sally lachte laut auf, als sie Jacks bühnenreifen Sturz sah, die Hände ausgestreckt, um seine tölpelhafte Landung auf dem Pflaster abzufangen, während sein Charlie-Chaplin-Hut von seinem an sich hübschen Kopf flog. Sally war nicht die Einzige, die sich über Romaines schmerzhaften Sturz amüsierte. Fahrgäste, die sich in Gesellschaftsschicht, Einkommen und Zukunftsaussichten stark unterschieden, stimmten in einem geteilten Augenblick der Schadenfreude in ihr höhnisches Gejohle ein. Warum auch nicht? Der Mann, der sich da wieder aufrappelte, musste ja ein Trottel sein. Ein Verlierer.
    Wahrscheinlich besoffen, dachte Sally. Und außerdem …
    Was ging sie das schon an?
    Entlang der Schienen ein Schwall von Gelächter, scharf und schrill. Aber ein Fahrgast teilte die Freude nicht. Der blonde Mann mit den Gamaschen lachte nicht. Er hatte die Possen des Manns, der hinter der Straßenbahn hergelaufen war, auch bemerkt. Tatsächlich war Jack dem großen, blonden Fahrgast mit der Blume im Knopfloch schon aufgefallen, als er von der Straße weg einen Satz in die Nummer 78 gemacht hatte. Er nahm Jack ebenso wahr wie alles, was sich vor dem Gefängnis und auf der Straße abspielte. Aber Romaines Missgeschick amüsierte diesen Herrn nicht, es weckte nicht einmal seine Neugier. Arno Beckers besondere Aufmerksamkeit galt stattdessen der Frau, der er vom Gefängnis aus gefolgt war. Sie hatte

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