Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
Holztor hängen, auf dem in großen Lettern Schlauch und Bürste aufgemalt war – sie stammten noch aus der Zeit, als hier Rohre instand gesetzt wurden. Dann wurde Verenas Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt. Auf jemand anderes. Die Kampflesbe. Sie strich, offenbar auf der Suche nach einem Platz, an den Tischen entlang. Verena machte sich eilig auf den Rückweg, um das Schlimmste zu verhindern.
Zu spät. Sie hatte sich kaum wieder zu Birgit und Frau Blaschke gesetzt, da stand die Kampflesbe auch schon vor ihrem Tisch. »Alles voll hier«, sagte sie und verzog den Mund zu einem halb verlegenen, halb trotzigen Lächeln. »Ist bei euch noch was frei?«
Verena hätte gern geantwortet: »Erstens: Seit wann duzen wir uns? Wir sind hier in Schwerte und nicht bei der SPD-Frauenschaft. Und zweitens: Ich habe mich auf einen Abend mit meiner Freundin gefreut – und nicht auf eine Emanzendiskussion mit jemandem wie dir!« Doch dann blickte sie zu Birgit hinüber, die munter mit Frau Blaschke die Grundschulzeit aufleben ließ. Der Abend war eh schon vergeigt.
»Na klar, ist noch frei«, sagte Verena und hätte am liebsten Wodka ohne Kirschsaft geordert.
Birgit und Frau Blaschke schauten irritiert auf, als die Kampflesbe Platz nahm. »Problem damit?«, hätte Verena am liebsten gefragt. »Wir sind doch eh schon eine zu viel!«
»Hallo«, sagte schließlich Frau Blaschke, nachdem sie die Kampflesbe sorgfältig gemustert hatte.
»Hallo, ich hoffe, ich störe nicht.«
Das Zögern dauerte einen Moment zu lange.
»Nicht doch«, sagte Birgit irgendwann gezwungen. »Das wird ja ein richtiger Frauenabend.«
»Ist ja auch Frauentag«, parierte die Kampflesbe. »Ich heiße Maren.«
»Und ich heiße Frau Blaschke«, sagte Frau Blaschke. »Und ich bestelle uns jetzt erst mal einen Prosecco.«
Der Sekt brachte Stimmung. Nach dem ersten Glas war Birgit ein anderer Mensch – oder besser: sie wurde plötzlich wieder die Alte –, selbstbewusst und fröhlich, Frau Blaschke entpuppte sich als eine ausgelassene ältere Dame und sogar Maren, die Kampflesbe, die aussah, als wäre sie hauptberuflich als Spaßbremse tätig, wurde fast locker. Bei Verena hatte sich immerhin eine Art Scheißegalgefühl eingestellt – und das ganz ohne Sekt.
»Auf Herrn Dr. Fiedler, der uns durch sein Fernbleiben diesen schönen Abend beschert hat!«, prostete Frau Blaschke in die Runde. Alle prosteten mit.
»Hat jemand sein Buch gelesen?« Maren lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Was kam jetzt? Ein weiterer Vortrag, wie unmöglich es war, zum Frauentag einen männlichen Dozenten zu laden?
»Ich hab’s gelesen. Wenn Frauen töten – sehr interessant«, Maren nahm einen großen Schluck Sekt. »Darin steht, dass nur zehn Prozent aller Mörder Frauen sind.«
»Dann sollte man aber schleunigst eine Quote einführen«, kicherte Birgit.
»Und Frauen morden nicht nur seltener«, fuhr Maren unbeirrt fort, »sie morden auch anders. Nämlich planvoll und heimtückisch – während Männer einfach draufloshauen.«
»Ist ja logisch«, warf Verena ein. »Frauen sind Männern körperlich unterlegen. Sie müssen sich etwas einfallen lassen, zumindest, wenn sie einen Mann töten wollen.«
»Sehr richtig«, bestätigte Maren. »Auch noch interessant: Männer morden in der Regel, um ihr Opfer zu beherrschen – sie üben Dominanz aus. Frauen morden, um sich nicht länger beherrschen zu lassen. Häufig befreien sie sich durch den Mord aus einer üblen häuslichen Situation. Purer Selbsterhaltungstrieb, der im Grunde etwas Emanzipatorisches hat.«
»Etwas Emanzipatorisches!« Birgit schmunzelte. »Dann sollte man vielleicht anlässlich des Frauentages ein paar Morde begehen.« Ein Lachen setzte ein, ein bisschen verlegen.
»Wisst ihr was?« Frau Blaschke. Albern. Beschwipst. Überdreht. »Damals haben wir in Birgits Klasse im Sachkundeunterricht alte Schwerter Sagen durchgenommen. Die Hexenrache – kennt ihr ja bestimmt. Vom Laternenpfad.«
Niemand reagierte. Nicht mal Birgit, obwohl es ja ihr Sachkundeunterricht gewesen war.
»Da hat ein Nachtwächter zwei Schwestern den Hof gemacht und ihnen die Heirat versprochen«, legte Frau Blaschke im besten Lehrerinnenton los. »Die haben sich dann zusammengetan, ihn im Schlaf gepackt und durch die Luft getragen. Zunächst wollten die Hexen ihn in die Ruhr plumpsen lassen, dann haben sie ihn aber auf einem Baum ausgesetzt, wo man ihn am nächsten Tag halbtot fand.«
»Ich erinnere mich dunkel«, erklärte
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