Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
Grundschullehrerin allzu sehr zu schockieren.
»Sie hat ihm etwas eintätowiert«, erklärte Maren nüchtern. »Das müssen wir nicht. Wir sprühen diesem Hendrik etwas auf den Bauch. Farbe hab ich noch genug aus unserer Firma.«
Verena konnte es nicht fassen. »Du meinst, wir spazieren bei ihm in die Wohnung und lassen ihm ein Farbtattoo da? An was denkst du? Das Frauensymbol – pünktlich zum Frauentag?«
»Es geht um den Auftritt!«, erklärte Maren mit trotzigem Blick. »Wir müssen ihn einschüchtern. Ihm Angst machen. Damit er die Fotos herausrückt. Mein Gott, immerhin sind wir zu viert und er ist nichts weiter als ein einzelner Kerl.«
Verena stellte sich das vor. Wie sie als neu gegründeter Lisbeth-Salander-Fanklub bei Hendrik Neuhaus in die Wohnung marschierten. Frau Blaschke, die, wenn sie die Treppe geschafft hatte, erst mal nach Luft schnappen musste. Birgit, die in Krisenmomenten zu Ohnmachten neigte, und dann noch sie selbst im schicken Schwangerschaftsoutfit.
»Wenn wir das machen …«, begann jetzt Birgit mit angstgeweiteten Augen, »… dann rächt er sich nachher noch schlimmer an mir.«
Maren brauchte ein paar Sekunden, um diesen Einwand zu entkräften. »Wir müssen vermummt auftreten«, erklärte sie schließlich. »Ich hab noch Maleroveralls zu Hause. Die mit den Kapuzen. Das müsste doch gehen.«
Ein neues Bild: vier Frauen in weißen, plusterigen Einmalanzügen. Wenn Verena sich nicht täuschte, sah man damit aus, als wäre man im Kernkraftwerk tätig. Oder beim CSI in Las Vegas, New York oder Miami.
»In so einen Maleranzug passe ich wenigstens rein«, feixte sie in einem Anflug von Zynismus und Wahnsinn. »Allerdings ist er modisch nicht top. Damit sehe ich aus wie das Sams, nachdem es in einen Topf Mehl gefallen ist.«
»Darum geht es doch nicht!«, Maren verschränkte die Arme. »Es geht darum, sich das alles nicht gefallen zu lassen. Birgit wird erpresst. Und sie kann sich alleine nicht wehren. Also machen wir das zu viert.«
»Wie bist du überhaupt an dieses Ekel geraten?«, wandte sich Frau Blaschke nun an die Schülerin ihres Vertrauens.
Birgit zuckte mit den Achseln. Eigentlich war die Antwort ganz einfach, dachte Verena. Birgit stand nun mal auf Typen wie ihn. Da war dieser durchgeknallte Assistenzarzt vom Evangelischen Krankenhaus gewesen, dann der Kneipendauergast aus dem RdW. Und dann noch der Bäderfuzzi, der Gelder für ein neues Schwimmbad in Schwerte eingesackt hatte. Alles ein und derselbe Typ: groß, verwegener Blick, viel Gel im Haar und Schlafzimmer im Blick. Unglaublich eigentlich, dass eine Frau wie Birgit keinen vernünftigen Kerl abbekam. »So einen wie deinen Thomas gibt’s halt nur einmal«, hatte Birgit schon häufig gesagt. Da hatte sie wohl recht. Das sah Verena in letzter Zeit klarer denn je.
»Lasst uns hinfahren«, schlug Maren vor. »Einfach mal gucken!«
»Hinfahren?« Allgemeine Unruhe kam auf. Frau Blaschke sah auf die Uhr. »Kriege ich denn dann nachher noch meinen Bus? Den 594er?«
»Ich bring Sie nach Hause«, sagte Maren pragmatisch.
»Ja dann …« Damit schien Frau Blaschke überzeugt. »Aber vorher wird hier ordentlich die Rechnung bezahlt. Ihr erlaubt, dass ich das übernehme?«
»Zweiter Stock, sagst du?«
Sie saßen in Marens Anstreicherkombi vor Hendriks Wohnung und reckten die Hälse – bis auf Birgit. Die schien sich in Verenas Schoß verkriechen zu wollen. Typisch Birgit. Es war stockduster, Hendrik weit und breit nicht in Sicht. Wovor hatte sie Angst?
»Ja, zweiter Stock«, kam es dumpf aus Verenas Schoß.
»Da ist Licht«, erklärte Maren. »Wollen wir mal raufgehen?«
»Untersteh dich!« Birgit fuhr hoch.
»Welches ist denn sein Auto?«, erkundigte sich Verena.
»Dunkelblauer Audi, da vorne.« Birgit zeigte auf einen Wagen. Dann bekam sie große Augen. »Und daneben steht das Auto von Carlos. Ein Tenniskumpel.«
»Okay«, fasste Verena zusammen. »Er hat Besuch. Ende der Aktion.«
»Wir könnten trotzdem raufgehen«, sagte Maren nur noch halb überzeugt. »Immerhin sind wir zu viert!«
»Maren!« Verena legte ihr die Hand auf die Schulter. »Was hast du vorhin über Frauenmorde gesagt – Männer hauen drauf, Frauen agieren planvoll, nicht wahr?«
Maren nickte.
»Und neunzig Prozent aller inhaftierten Mörder sind Männer. Das kann daran liegen, dass Frauen seltener morden. Es kann aber auch daran liegen, dass sie planvoll agieren und auch mal abbrechen, wenn ihre Chance zu gering ist.«
»Ich will jetzt
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