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Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI

Titel: Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grafit
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soziales Leben«, sagte Milleck und deutete auf einen Flyer, der neben der Tabakdose auf dem Tisch lag. Ein rotes Neonherz auf schwarzem Grund und dazu Nacktfotos der Frauen, die als Chantal oder Veronika das Luder ihre Dienste in einem der Bordelle am Kamener Kreuz feilboten. »Ganz schön einsam!«
    »Warum einsam? Wie heißt es so schön: Im Verein bist du niemals allein.« Joon deutete mit dem Kopf zu einem digitalen Bilderrahmen in der schwarz lackierten Schrankwand. Darin lief eine Serie von Bildern, die vier scheinbar bestens gelaunte Menschen im gemeinsamen Bootsurlaub zeigte: einen braun gebrannten Dieter Sandner mit offenem Hemd und großer Zigarre im Mund. Im Arm eine junge, auffallend stark geschminkte, karibische Schönheit. Daneben ihre Schwester/Freundin/Kollegin, die sich an einen schnauzbärtigen, tigergleich grinsenden Mann mit Kapitänsmütze schmiegte, der die Finger zum Victoryzeichen hochhielt.
    »Na, wenn das nicht unser Arbeiterführer ist!«, stellte Milleck fest, als er Ottmar Pauli erkannte. »Schau mal an! Und ich dachte, nur bei VW fahren die Betriebsräte nach Rio!«
    Dienstag, 13.11.2012. Neun Uhr dreißig am Vormittag.
    Polizeipräsidium Dortmund, Markgrafenstraße, Zimmer 204.
    »Dieter Sandner ist maximal eine halbe Stunde nach Detlev Woelke gestorben.« Richard Joon versenkte den zweiten Zuckerwürfel zielsicher in seinen Kaffeepott. »Zum Zeitpunkt des Todes 2,3 Promille Alkohol im Blut. Das passt alles nicht zusammen, Mike!«
    »Ich weiß!« Milleck starrte auf den Bericht der Rechtsmedizin. »In diesem Zustand hätte er selbst als versierter Trinker den Bus keine zwei Stationen mehr lenken können. Doc Schanz und seine Leute meinen, dass das Verhältnis zwischen Blutalkohol und dem, was noch im Magen war, darauf hindeutet, dass Sandner sich schon vorher über Stunden zugepichelt hat.«
    »Aber warum wird dann seine Leiche«, Joon legte ein Lineal auf den Ausdruck eines Kartenausschnitts, »grade mal fünfhundert Meter Luftlinie just von dem Bus entfernt gefunden, den er eigentlich hätte fahren sollen, aber – laut dem Doc und seinen Jungs – gar nicht zu fahren in der Lage war?«
    »Darf ich deinen komplizierten Gedankengang etwas vereinfachen?« Michael Milleck grinste Joon mit hochgezogener Augenbraue an. »Die spannende Frage ist doch: Wer hat den Bus tatsächlich gefahren?«
    Die grüblerische Stille, in die sie beide angesichts der Frage fielen, wurde von Polizeimeisteranwärterin Julia Tremmel unterbrochen, die bei diesem Fall den Aktenführer unterstützte. »Ich störe nur ungern, aber hier ist ein junger Mann, der behauptet, ein Puffküsser-Kollege von Detlev Woelke gewesen zu sein.«
    »Pufferküsser!«, korrigierten Joon und Milleck synchron.
    »Bitte was?«
    »Puffer, nicht Puff«, sagte Joon. »Und es ist nicht das, was Sie denken! Lassen Sie ihn rein!«
    Die Tremmel rollte mit den Augen und schob gleich darauf einen schmächtigen Jungen von etwa vierundzwanzig Jahren, mit blassem Teint, schlabbriger Cordhose, grünem Zopfpulli und Parka, in das Büro.
    »Stefan Vobis, ich wohne in Bergkamen in der Ebertstraße und …« Joon machte eine beruhigende Geste. »Was führt Sie zu uns?«
    »Nun, wir … ähm … also wir sind ein kleiner Klub von Busfans und fotografieren und sammeln alles über …«
    »Ich weiß«, unterbrach Joon ihn wieder. »Ihr seid Pufferküsser.«
    »Genau genommen, sehen wir selber uns mehr als Busfreunde!« »Natürlich! Und?«
    »Also … vorgestern haben wir ein bisschen Weiberfastnacht gefeiert, also erst auf dem Markt und später noch bei einem Freund im Partykeller in Werne, ganz in der Nähe von da, wo Detlev wohnt. Er war auch da, ist dann aber früher weg, weil er noch den letzten R 81 abpassen wollte.«
    Milleck rückte seinen Stuhl näher zu dem Jungen. Dessen Gesicht war von hektischen Flecken übersät. Milleck fragte sich, ob das Sammeln von Busfotos einem bestimmten Menschenschlag vorbehalten war. »Und warum, lieber Herr Vobis, sollte sich Herr Woelke, anstatt weiterhin in seinem lustigen Gendarm-von-St.-Tropez-Kostüm mit seinen Kumpels Karneval zu feiern, lieber in den Nieselregen spätabends auf die Straße stellen, um einen Bus der Linie R 81 an einer Stelle zu fotografieren, wo der eigentlich gar nicht langfährt?«
    Dienstag, 13.11.2012. Elf Uhr am Vormittag.
    Dortmund, Bünnerhelfstraße 31. Rechtsmedizinisches Institut, Saal 3.
    Dr. Edgar Schanz entsprach in keiner Weise dem Klischee des forensischen Pathologen. Weder

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