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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Sie hier Wache standen. Die andere Wache habe ich gesehen und mich schnell zurückgezogen.«
    »Ich stehe nicht Wache«, sagte John Ives. Sein Blick wandte sich wieder den phantastischen Felsformationen zu. »Ich sah nur auf die Berge.«
    Garnet tat einen Schritt auf ihn zu. »Finden Sie die Landschaft auch so großartig?« sagte sie.
    John nickte. Er trug einen sechs Tage alten Bart und war dem tadellosen, sorgfältig gekleideten und frisierten Gentleman, den sie in Santa Fé kennengelernt hatte, nicht mehr sehr ähnlich.
    »Ich weiß nicht, ob ›großartig‹ das Wort ist, es auszudrücken«, sagte er. »Aber ich glaube, es gibt keine Worte dafür; man muß es wohl bei solchen Vokabeln bewenden lassen.«
    Garnet warf einen unsicheren Blick zu dem kauernden Posten hinüber. John sagte:
    »Wir stören ihn nicht. Er ist gewöhnt, daß man hinter ihm spricht, und er weiß, wann er aufmerken muß.«
    Garnet wußte, daß John selten mit einem anderen Menschen sprach, jedenfalls nichts, was die Dinge, die er gerade tat, nicht unbedingt erforderten; sie fragte sich, ob sie ihm nicht vielleicht lästig falle. Aber sie hätte gern mit ihm über die Wunderwelt der Felsengebirge gesprochen. Sie sagte:
    »Was ist es für Gestein? Wie sind sie beschaffen? Wie kommen diese seltsamen Formen zustande?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte John. »Ich staune ebenso wie Sie.«
    »Was sind das für Bäume, die wie Kiefern aussehen?«
    »Pinons. Eine Kiefernart.«
    »Und die grauen Büsche mit den gelben Blüten?«
    »Chamisa. Sie beginnen eben zu blühen. In einem Monat wird da ein einziges gelbes Gewoge sein.« Seine kühlen Augen glitten wie in leichtem Erstaunen über sie hin. Und wie Oliver im vergangenen Winter in New York gefragt hatte, fragte auch er jetzt: »Sind Sie an alledem denn interessiert?«
    Und wie sie damals Oliver geantwortet hatte, antwortete sie jetzt auch John und lachte ein wenig dabei:
    »Ich bin an allen Dingen interessiert, die ich nicht kenne.« Er antwortete nicht. Sie fragte: »Ist das so sonderbar, daß es Sie überrascht?«
    »Ich denke schon«, sagte John, »es gibt wenig Menschen, die sich für irgend etwas interessieren, was sie nicht unmittelbar angeht.«
    Garnet sah zu ihm auf. Es war schwierig, den Gesichtsausdruck eines Mannes zu erkennen, wenn dieses Gesicht von einem sechs Tage alten Bart überwuchert war. »Sie scheinen die Menschen nicht sehr zu lieben«, sagte sie leise.
    Er lachte einmal kurz auf: »Lieben Sie sie denn?«
    »Ja. Gewiß tue ich das. Die meisten Menschen haben irgend etwas Liebenswertes. Wenigstens für mich. Und die, die gar nichts davon haben, tragen meistens nicht die Schuld daran.«
    »Vielleicht«, sagte John. »Aber finden Sie es nicht erholsam, sich von ihnen abzusondern, dann und wann wenigstens, und ganz allein in eine große Einsamkeit zu gehen – wie diese hier?«
    »Erholsam? Nein – ich habe noch nicht daran gedacht.« Ihre Augen folgten den Schattenlinien des Gobelins auf der Erde. »Vielleicht wird es hier eines Tages gar nicht mehr einsam sein«, sagte sie. »Es könnten Menschen kommen und sich ansiedeln.«
    »Sie würden es hier kaum sehr weit bringen«, sagte John trocken. Er blickte über die Schultern zum Lager zurück. »Ich glaube, ich höre Löffel klappern. Kommen Sie! Niemand wird für uns sorgen, wenn wir nicht da sind und uns etwas geben lassen.«
    Sie gingen zu den Lagerfeuern zurück. »Ich glaube, Sie sind gräßlich«, sagte Garnet.
    »Ja, glauben Sie das? Ich meinerseits finde Sie ziemlich spaßig.« Er tippte sich flüchtig, einen Gruß andeutenden die hutlose Stirn, wandte sich ab und rief einen seiner Maultiertreiber heran.
    Ein Boy füllte Garnets Schüssel aus einem der großen Kessel. Sie setzte sich auf die Erde und verzehrte ihr Abendbrot. Nachdem sie ihre Schüssel ausgespült hatte, ließ sie sich vor ihrem Sattelhäuschen nieder und sah den geschäftig umherlaufenden Männern zu, die das Lager für die Nacht herrichteten. Die Schatten waren nun schon tief gefallen; es wurde kühl. Sie hätte sich gern neben einem der Feuer niedergehockt, aber Oliver hatte ihr eindringlich geraten, sich niemals nach Sonnenuntergang neben ein Feuer zu setzen, da die gegen den Feuerschein abgezeichnete Silhouette eine vorzügliche Schießscheibe für streifende Comanchen abgäbe. Sie sah zu den gigantischen Felsgebilden hinauf, die jetzt als düstere, gespenstische Schatten vor dem zwielichtigen Himmel standen, und fragte sich, ob hier wohl jemals

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