Kalifornische Sinfonie
sein.«
Garnet lächelte glücklich; Oliver schlang seinen Arm um ihren Nacken. Sie erinnerte sich ein wenig beschämt daran, daß sie ihn verdächtigt hatte, es gebräche ihm an Mut. Jetzt fragte sie sich, wie ihr ein Gedanke dieser Art nur habe kommen können. Es gab nichts auf der Welt, wovor Oliver sich fürchtete, außer vor einem unglücklichen Zufall, der sie in seiner Abwesenheit in Gefahr bringen könnte.
Neunzehntes Kapitel
Sie ritten den Chama River bis zur Quelle hinauf. Mit dem allmählichen Versickern des Flusses begann das Wasser für den täglichen Gebrauch knapp zu werden. Die Luft war so trocken, daß Garnet fortgesetzt durstig war; unausgesetzt blies ihr der Staub in Nase und Mund; er knirschte ihr zwischen den Zähnen. Während der Rastpausen gaben die Boys sich alle Mühe, ihre Sattelhäuschen so dicht wie eben möglich zu machen, aber sie konnten ihr täglich nur einen halben Eimer Wasser zum Waschen bringen. Eines Tages ging der Chama River zu Ende. Der nächste Fluß, der Rio Piedra, war fünfunddreißig Meilen entfernt. Die wasserlose Strecke nahm zwar nur zwei Tagesritte in Anspruch, aber es waren dies die längsten Tage, die Garnet in ihrem ganzen Leben durchlebt hatte.
Die Boys hatten, bevor sie den Chama River verließen, alle Flaschen und Behälter gefüllt, aber das Wasser war nun zu einer unersetzbaren Kostbarkeit geworden, so daß Garnet immer nur einen winzigen Schluck nehmen konnte, um den brennendsten Durst zu löschen. Oliver warnte sie nachdrücklich davor, Wasser zum Waschen zu verschwenden. Die Hitze war barbarisch; die Sonne verwandelte die trockenen Felsen in Glutöfen. Fast alle Männer trugen Schutzbrillen und dicke Lederhandschuhe, um Augen und Hände zu schützen. Sie trugen breitrandige mexikanische Hüte. Da Garnet und Florinda sich keine Bärte wachsen lassen konnten, umhüllten sie ihre Gesichter mit Schleiern. Garnet sah voller Neid auf die mexikanischen Frauen und die Halbblut-Mädchen, denen der Sonnenbrand nicht das geringste auszumachen schien.
Sie ritt Seite an Seite mit Florinda, aber beide sprachen nur selten ein Wort. Das Sprechen machte die Kehle noch rauher, als sie ohnehin war. Wenn sie schon redeten, sprachen sie vom Wasser, von dem Fluß, dem sie entgegenritten, und was für eine unaussprechliche Wohltat es sein würde, sich wieder einmal gründlich zu waschen und frisches, kühles Wasser zu trinken.
Aber als sie dann nach einem endlos langen Morgenritt an den Rio Piedra kamen, mußten sie feststellen, daß da gar kein Fluß war. Der Rio Piedra war nicht mehr als ein seichter Graben mit sandigem Grund. Es gab da ein paar Schlammpfützen, aber kein Wasser. Die Maulesel stürzten sich über die Schlammlöcher und tranken sie in wenigen Minuten aus.
Die Köche schnitten sich etwas trockenes Strauchwerk von den Büschen im Graben und brachten es fertig, etwas Hammelfleisch zu rösten. Garnets Mund war so ausgetrocknet, daß sie kaum einen Bissen herunterbekam. In ihrer Flasche war nur noch ein kleiner Rest Wasser gewesen; sie hatte ihn ausgetrunken, aber sie hatte hinterher das Gefühl, überhaupt nichts getrunken zu haben. Oliver riet ihr, sich schlafen zu legen; es sei dies die einzige Möglichkeit, mit dem Durst fertig zu werden. Sie gehorchte schweigend, und sie war so entsetzlich müde, daß sie auch bald danach einschlief.
Als sie am Nachmittag erwachte, sah sie zu ihrer Verblüffung, daß sich Wasser im Graben befand. Die Männer hatten Löcher in das sandige Flußbett gegraben; die Löcher hatten sich von unten her mit Wasser gefüllt und waren übergelaufen. »Das Wasser dieser kleinen Flüsse sinkt während des Sommers unter den Grund«, sagte Oliver, »man muß danach graben wie nach Gold.«
Das Wasser hatte einen sonderbaren Geschmack; es machte Garnet nicht das geringste aus. Sie trank und trank und war selig, darüber hinaus sogar noch ein Waschbecken voll Wasser zu haben. Sie füllten danach ihre Lederflaschen mit dem kostbaren Naß, überquerten den Graben mit dem hochtrabenden Namen und traten eine neue trockene Wegstrecke an.
Die Landschaft schillerte immer noch in prächtigen Farben; es gab hier und da riesige Kakteen, die sich windenden Armen glichen. Die Schutzbrillen vermochten die Augen nur ungenügend vor den sengenden Sonnenstrahlen zu bewahren; Garnet spürte es empfindlich, sie sah schon lange nicht mehr so begeistert umher wie in den ersten Tagen.
»Woran denken Sie?« fragte Florinda, während sie nebeneinander
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