Kalifornische Sinfonie
und Beckenknochen menschlicher Körper. Das Ganze sah aus wie ein grausiger Abfallhaufen. Garnet wandte den Kopf nach den Männern, die hinter ihr mit den Mauleseln beschäftigt waren.
Die Männer arbeiteten ruhig und gleichmütig. Sie füllten ihre Eimer, mühten sich um die Tiere, die unterwegs Verletzungen davongetragen hatten, und besserten Zügel und Zaumzeug aus. Das Knochenfeld, das vor ihrem Blick lag, schien ihnen offenbar nicht bemerkenswerter als eine beliebige Grasfläche. Garnet sah, wie einer der Boys einen Gegenstand aufhob, der ihm im Wege lag. Er warf das Ding zu dem großen Knochenhaufen hinüber, und Garnet sah, daß es ein menschlicher Schenkelknochen war. Dann setzte er ruhig seine Arbeit fort. Garnet wandte sich um und rannte den Weg, den sie eben gekommen war, zurück, so schnell ihre Füße sie tragen konnten.
Am Ende des Weideplatzes stieß sie auf Oliver, der einem seiner Treiber eine Anweisung erteilte. Er sah den Schrecken in ihrem Gesicht und ging mit ihr beiseite, um sie nach ihrem Kummer zu fragen.
»Oliver«, rief Garnet, »von wem stammen die Menschenknochen dort?«
Er nahm ihren Arm und zog sie zum Fluß hinab. »Setz dich«, sagte er und wies auf einen Stein. Garnet setzte sich und starrte ihn an. Er habe sie gestern nicht erschrecken wollen, sagte Oliver. Die Archillette sei ein berühmter Lagerplatz, der immer wieder benützt werde. Das sei den Diggern natürlich ebenso bekannt wie den Weißen. Deshalb streiften immer Diggerhorden in der Nähe herum, um eine Gelegenheit zu erspähen, Pferde oder Maulesel zu stehlen. Die Knochen, die dort bleichten, seien, ebenso wie die Knochen, die sie in der großen Wüste gesehen hätten, Überreste von Männern, die in den vergangenen Jahren bei Indianerüberfällen getötet worden seien. Es sei ihr wahrscheinlich entgangen, aber sie hätten bereits in der vergangenen Nacht Doppelposten aufgestellt.
Nach Olivers Erzählung hatte es hier einige böse Gefechte gegeben. Erst im letzten Jahr hatten die Digger hier eine aus Los Angeles kommende Kolonne von Mexikanern überfallen und massakriert. Sie hatten die Männer ermordet, die Frauen weggeschleppt und hinterher in einer Höhle eine große Freßorgie veranstaltet. Eine Gruppe Weißer hatte die Leichen der Getöteten gefunden, die Verfolgung der Digger aufgenommen und die Horde fast ganz aufgerieben.
Garnet liefen Schauer über den Rücken. Oliver streichelte sie beruhigend.
»Ja«, sagte er, »sie sind ein greuliches Ungeziefer. Sieh über die Knochen hinweg. Beschäftige dich und geh in keinem Fall über unsere Wachen hinaus. Hörst du einen langen, scharfen Pfiff, dann halte die Pistole bereit.«
Garnet suchte Olivers Rat zu befolgen und beschäftigte sich. Sie hatte genug zu tun. Seit sie Santa Clara verlassen hatten, hatte sie kaum noch Gelegenheit gehabt, ihre Kleider zu reinigen. Die anderen Frauen und viele der Männer hockten bereits am Bach und wuschen. Sie holte sich einen Haufen schmutziger Wäsche und ein Stück Seife und begann mit der Arbeit.
Florinda war bereits fleißig dabei. Sie sah jetzt recht gut aus und war auch guter Laune. Doch, sagte sie, sie habe die Knochen gesehen. »Aber«, setzte sie hinzu, »wenn man einmal an den Anblick dieser großen Wüstenei gewöhnt ist, vergißt man, daß die Knochen einmal Menschen waren.«
Garnet scheuerte an einem ihrer Kleider. »Es ist fürchterlich«, sagte sie, »aber Sie haben recht: Was immer sie einmal waren, jetzt sind es nur noch Dinge, tote Gegenstände, nicht mehr als alte Lumpen.«
Sie hörten Gelächter und das Geräusch von Schüssen. Als sie erschrocken herumfuhren, sahen sie, daß einige Männer Totenschädel aufgestellt hatten und als Schießscheiben benützten. Sie veranstalteten einen Wettkampf, indem sie versuchten, auf möglichst weite Entfernung durch die Augenhöhlen zu schießen. Garnet fühlte eine Gänsehaut ihren Körper überziehen. Sie hielt die Augen krampfhaft auf das seifige Wasser gerichtet. Es sind nur noch Dinge, dachte sie, tote Gegenstände, alte Lumpen!
Sie hörte Florinda neben sich sagen: »Ist das eigentlich nötig? Müssen sie so grausam mit den Schädeln Ermordeter umgehen?«
»Niemand außer uns beiden findet, daß das grausam sei«, antwortete Garnet. »Wir erleben zum erstenmal, was für die Männer alte Gewohnheit ist.«
Die Gewehre krachten über das Knochenfeld. Irgend jemand brüllte, Texas sei ein Meisterschütze. Texas sagte, das sei gar nichts. Er verpflichte sich, die
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