Kalifornische Sinfonie
Ranchos. Dann – ich habe nicht mehr gesprochen englisch, bis ich begegnete John. Er hat es mich wieder gelehrt.«
»Haben sie lange in Fort Ross gelebt?«
»O ja, lange. Mein Vater war in Armee. In Armee von Zar, Sie verstehen? Ich war kleiner Junge – acht Jahre, da schickte Zar Soldaten nach Amerika zu den Pelzstationen. Es gibt viele Pelzstationen da oben. Von Fort Ross ganz oben in Kalifornien bis nach Alaska – Sie wissen? Meine Mutter war tot, und Vater ging mit mir nach Amerika.«
»Und Ihr Vater blieb hier?« fragte Garnet.
»Ja. Aber er starb. Als wir waren in Fort Ross, mein Vater wurde sehr krank. Schiff konnte nicht warten auf ihn, mußte fort nach Rußland. Als Schiff weg war – mein Vater starb. Ich war allein in Fort Ross und arbeitete mit den Männern dort. Wir bekamen viel Pelz: Seal und Seeotter. Und wir bebauten das Land, um Russen in Alaska zu ernähren.«
»Aber kamen denn später keine Schiffe mehr aus Rußland?«
»O ja, doch. Alle drei, vier Jahre ein Schiff kam und holte Pelze. Aber sie wollten nicht mitnehmen einen kleinen Jungen. Und als ich dann war erwachsen – warum sollte ich gehen? Ich war sehr glücklich in Fort Ross.«
»Und warum kamen Sie dann hier herunter?« fragte Florinda.
Er sah lachend zu ihr auf: »Wir vielleicht – arbeiteten zu gut. Ich weiß nicht – zu viel. Die Pelze – gingen auf – nein, das ist falsch; wie heißt es, John?«
»Sie gingen aus.«
»Gingen aus. Das ist richtig. Waren keine Tiere mehr da. Die Männer sagten, sie wollten weg von Fort Ross und wollten gehen zu den nördlichsten Stationen. Sie verkauften an einen Mann aus der Schweiz. Er hieß Sutter. Er hatte selbst ein Fort – Fort Sutter am Amerikanischen Fluß. Unsere Trapper gingen dann nach Alaska, aber ich wollte nicht gehen nach Alaska. Ich liebte Kalifornien. Deshalb ich ging nach Los Angeles hinunter und wurde getauft, und sie gaben mir eine Ranch. Ich zog Vieh auf, und die Leute lachten über mich. Die Yankees sagten: Er ist ein Barbar, und die Kalifornier sagten: Er ist un huero, ein unfruchtbares Ei. Eines Tages ich brachte Häute zu Mr. Abbott nach Los Angeles. Da war John. Er stapelte die Häute im Laden auf. John sagte nicht: ein Barbar! und nicht: ein unfruchtbares Ei! John war anders als andere Menschen, ganz anders. Sehr seltener Mensch. Wir wurden gut Freund.«
John lachte einmal kurz auf. »Ich war damals noch nicht lange hier«, erklärte er, »und das Spanische war für mich noch eine harte Nuß. Nikolai sprach schon Spanisch wie ein Kalifornier. Er unterrichtete mich darin, und ich brachte ihm etwas Englisch bei. Das ist alles.«
Er sprach gleichmütig und obenhin, aber Garnet sah die Blicke warmer Zuneigung, mit denen der Russe ihn streifte; es war offensichtlich, daß beide Männer eine innige Freundschaft verband. Sie fand, das sei bei Johns betonter Zurückhaltung eine bemerkenswerte Sache. Nikolai hatte John einen seltenen Menschen genannt. Er hatte wohl gemeint, er sei ein ungewöhnlicher Mensch. Der junge Russe, der von halbzivilisierten sibirischen Fallenstellern aufgezogen worden war, hatte sich unter den stolzen kalifornischen Rancheros sicherlich denkbar unglücklich gefühlt; vielleicht war John Ives der erste Mensch gewesen, der ihn ernst nahm. Sie dachte: Oliver hatte unrecht, ihn einen Barbaren zu nennen. John fuhr fort:
»Nikolai hatte leider nur wenig Gelegenheit, sein Englisch zu vervollkommnen. Ich mußte tagein, tagaus mit jedermann spanisch sprechen, er hatte die praktische Möglichkeit, englisch zu sprechen, nur, wenn Yankees hierherkamen.«
»Oh, aber ich will lernen gut sprechen«, sagte Nikolai; »ich spreche gern englisch, und ich mag die Yankees.«
Ein Mexikanermädchen kam aus dem Haus, trat zu einer struppigen Eiche und schlug gegen einen dort aufgehängten Gong. Dem hallenden Ton antwortete von allen Seiten lautes Geschrei; John und der Russe sprangen auf.
»Essen! Es gibt Essen«, strahlte Nikolai. Die Aussicht schien ihn zu erheitern. Er umfaßte Garnet mit beiden Händen in der Taille, hob sie auf wie eine Puppe und schwenkte sie über seinem Kopf. Garnet kreischte und strampelte.
»Versuche dich zu benehmen, Nikolai«, sagte John, aber er lachte. Als der Russe Garnet sanft auf die Füße stellte, kam Oliver heran, und er lachte auch. Während Garnet noch mühsam nach Atem rang, begrüßte er den Russen in spanischer Sprache. Der Russe lachte und antwortete ebenfalls spanisch. Oliver reichte Garnet den Arm und geleitete sie
Weitere Kostenlose Bücher