Kalifornische Sinfonie
»Florinda ist krank.«
»Krank?« wiederholte Garnet. »Aber sie sagte, sie fühle sich besser.«
John zuckte die Achseln: »Sie sagte es. Aber sie ist nach dem Mittagessen zusammengebrochen. – Eine böse Sache«, setzte er nach einer kleinen Pause hinzu. »Florinda hat recht gute Nerven. Aber ich glaube, sie hat schon lange über ihr Leistungsvermögen hinaus nur aus dem Willen gelebt.«
»Aber was ist denn geschehen?« fragte Garnet ängstlich.
Die beiden Männer ließen sich auf der Bank nieder. »Florinda ging gleich nach dem Essen auf ihr Zimmer«, erzählte John. »Als Penrose etwas später hereinkam, lag sie bewußtlos auf dem Fußboden. Penrose vermochte sie nicht ins Bewußtsein zurückzurufen und kam heraus, um jemand zu suchen, der ihm helfen könnte. Er hatte schon ziemlich viel getrunken, und die meisten anderen auch. Nikolai und ich gingen dann zu ihr, um zu sehen, was wir tun könnten. Wir brachten sie auch wieder zur Besinnung, aber sie war in einer ziemlich schlimmen Verfassung. Deshalb suchten wir Texas. Da er natürlich betrunken war, schütteten wir ihm einen Eimer Wasser über den Kopf und schleppten ihn zu ihr. Er versprach uns dann, auf sie aufzupassen; er war der Meinung, man solle sie im übrigen allein lassen.«
»Wo ist sie jetzt?« fragte Garnet.
»In ihrem Zimmer. Texas ist bei ihr. Wenn ihr überhaupt irgend jemand helfen kann, dann ist es Texas.«
»Aber ist er nicht – John – Sie sagten, er sei betrunken?« Sie sah sich etwas hilflos um; dabei fiel ihr Blick auf Penrose, der noch immer mit ›Teufelswanze‹ zusammenhockte und trank; sie ballte die Fäuste vor Empörung.
John sah ihren Blick und begegnete ihm mit einem spöttischen Lächeln. Doch knüpfte er weiter keine Bemerkung daran, sondern gab ihr eine direkte Antwort auf ihre Frage: »Texas ist nicht so betrunken, daß er nicht wüßte, was er tut.«
»Kann ich Florinda sehen?«
»Das möchte ich annehmen.«
Nikolai lächelte sie zutraulich an. »Gehen Sie ruhig, Miß Garnet«, sagte er. »Florinda liebt Sie sehr. Und sie ist sehr schwach. Krank und schwach.«
Garnet fühlte einen heimlichen Schmerz. Florinda war krank. Sie war schon lange elend, aber sie hatte kein Wort davon gesagt, bis sie zusammenbrach. Und Penrose war ein roher, gefühlloser Bursche. Texas war ein unverbesserlicher Trunkenbold, und weit und breit war niemand, der sich Gedanken darüber machte, ob Florinda starb oder nicht. Nun, dachte sie, zitternd vor innerem Grimm, ich bin da. Ich sorge mich um sie. Und ich werde mich um sie kümmern. »Ich gehe zu ihr«, sagte sie, »jetzt gleich.«
Bevor die Männer noch etwas dazu sagen konnten, war sie schon fort. Während sie, so schnell sie konnte, über das buschige Gras dem Haus zu lief, sah sie Charles und Oliver nebeneinander sitzen und sprechen. Sie saßen noch an der gleichen Stelle, wo sie sie verlassen hatte, und waren so in ihre Unterhaltung vertieft, daß sie gar nicht merkten, daß sie an ihnen vorüberlief. Charles sieht dumm aus, dachte sie, dumm und zusammengeschrumpft wie eine alte Zwiebel.
Das Haus, in welchem Florinda wohnte, hatte vier Zimmer, die alle nebeneinander lagen; jedes Zimmer hatte eine direkte Tür ins Freie. Garnet war noch nicht in Florindas Zimmer gewesen, aber sie wußte, welchen Raum sie bewohnte. Sie klopfte an die Tür.
Texas öffnete ihr. Texas roch nach Kognak und hatte rot verschwollene Augen, aber er lächelte freundlich wie immer. »Bitte, kommen Sie herein, Miß Garnet«, sagte er.
Er schloß die Tür hinter ihr. Die Fensterläden waren geschlossen, und Garnet mußte erst mit den Augen blinzeln, um sich an die im Raum herrschende Düsternis zu gewöhnen. Es drang immerhin Licht genug durch die Ritzen, und sie fand sich schnell zurecht. Das Zimmer war klein, aber sehr sauber und ordentlich wie jeder Raum, den Florinda bewohnte. Wie alle Zimmer in kalifornischen Häusern hatte es eine Wandbank. In einer Ecke lagen zwei Mauleselpacken; der Wandbank gegenüber stand ein Bett. Weitere Möbel gab es nicht. Florinda lag auf dem Rücken. Das Bett hatte kein Kopfkissen. Sie hatte die Decke bis über die Schultern hochgezogen. Texas hatte ein paar weitere Decken zusammengerollt und ihr unter die Hüften gelegt, so daß Kopf und Schultern niedriger lagen als der übrige Körper.
Florindas Augen waren geschlossen, aber als Garnet einen Schritt auf das Bett zu tat, öffneten sie sich, und sie wandte ein wenig den Kopf.
»Wer ist da?« fragte sie leise.
»Es ist
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