Kalifornische Sinfonie
Miß Garnet«, sagte Texas.
»Oh!« flüsterte Florinda; ihre Stimme war schwach, kaum vernehmbar. »Wie nett«, sagte sie, »wie nett, daß Sie zu mir kommen.«
Garnet kniete am Bett nieder und ergriff Florindas Hand. Es war das erste Mal, daß sie diese Hand ohne Handschuh hielt; sie fühlte die rauhen Stellen der Narben. Florindas Hand fühlte sich an wie eine Wurzel. »Ich habe erst eben in dieser Minute erfahren, daß Sie krank sind«, sagte Garnet. »Wie geht es Ihnen?«
»Texas meinte, ich würde wieder gesund werden«, flüsterte Florinda. Garnet blickte über ihre Schulter zurück. Texas saß auf der Wandbank und tastete nach einer Flasche, die dort stand. Florinda mochte in eben diesem Augenblick auch zu ihm hingesehen haben, denn sie sagte: »Trinken Sie ruhig, Texas, wenn Sie müssen. Mir macht es nichts aus.« Texas hob die Flasche; Florinda machte den Versuch, Garnet anzulächeln; es fiel ihr offensichtlich schwer. »Da bin ich in eine feine Patsche geraten«, sagte sie.
»Niemand kann etwas dafür, wenn er krank wird«, sagte Garnet. »Bitte, sprechen Sie nicht, wenn es Ihnen schwerfällt.«
»Oh, ich kann sprechen. Solange ich ruhig liege, fühle ich mich ganz wohl. Nur wenn ich versuche, mich zu bewegen, wird es mir schwarz vor den Augen. Ich hatte ein paar Schwindelanfälle.«
»Aber was ist eigentlich geschehen? Erinnern Sie sich nicht?«
»Nicht sehr gut. Es ging mir schon beim Mittagessen nicht gut. Es drehte sich alles. Ich wollte keine Aufregung verursachen, deshalb ging ich auf mein Zimmer und zog mich aus. Ich dachte, wenn ich ein paar Stunden schliefe, würde es besser werden. Aber dann drehte sich wieder alles vor mir, und ich muß wohl ohnmächtig geworden sein. Dann sind wohl John und ›das hübsche Tier‹ hereingekommen. Nachher lag ich jedenfalls hier auf dem Bett, und Texas hatte mir die Deckenrolle unters Kreuz geschoben; er meinte, mein Kopf müsse niedriger liegen. Es war erst furchtbar komisch, aber ich fing dann bald an, mich besser zu fühlen. Texas war sehr gut zu mir. Ich kann nicht sehr laut sprechen. Wenn er mich nicht verstehen kann, sagen Sie es ihm: Er war sehr gut zu mir.«
Garnet wandte den Kopf nach der Wandbank. »Texas«, sagte sie, »Florinda meint, Sie seien sehr gut zu ihr gewesen.«
Texas lächelte etwas verschwommen. Garnet sah, daß die Flasche in seiner Hand leer war. Er erhob sich jetzt und torkelte ein bißchen. »Ich glaube, wo Sie jetzt hier sind, Miß Garnet, kann ich mal etwas hinausgehen, um frische Luft zu schnappen«, sagte er. »Ich bin bald wieder zurück.«
Florinda ließ ein kleines glucksendes Lachen hören, als sich die Tür hinter ihm schloß. »Er braucht eine neue Flasche«, sagte sie. »Armer Texas!«
»Armer Texas!« wiederholte Garnet verächtlich. »Kann er nicht wenigstens einmal nüchtern bleiben, wenn man ihn so dringend braucht?«
»Nein, Darling, das kann er nicht«, flüsterte Florinda; in ihrer müden kleinen Stimme war etwas wie Mitleid. »Wenn Menschen wie er einmal damit angefangen haben, können sie nicht wieder aufhören.« Sie brach ab. Garnet verhielt sich ruhig, um ihr Zeit zu lassen. Nach einer kleinen Pause flüsterte Florinda: »Ach, Garnet, ich habe mich wie eine Närrin benommen. Ich wollte durchhalten. Ich wollte unter allen Umständen durchhalten.«
»Aber entschuldigen Sie sich doch nicht«, sagte Garnet. »Ich weiß es doch. Und Sie haben ja auch durchgehalten.«
Florinda seufzte: »Ich habe mich närrisch benommen, Garnet. Es war idiotisch von mir, diese entsetzliche Wüste zu durchqueren. John hatte mir vorher gesagt, daß ich es nicht aushalten würde. Als wir auf halbem Wege waren, wußte ich, daß ich es nicht hätte tun dürfen. Aber da konnte ich nicht mehr zurück.«
Es entstand eine kurze Pause. Dann fragte Garnet leise: »Was werden Sie nun tun?«
»Ich weiß es nicht«, flüsterte Florinda.
Garnet dachte an Penrose, der draußen hockte und sich betrank. Penrose hatte sich in eine strahlende Schönheit verliebt. An einer kranken, erschöpften Frau, die kaum sprechen konnte, war er in keiner Weise interessiert. Wahrscheinlich war er sehr froh gewesen, Florinda Texas übergeben zu können. Und Texas war zwar gut und freundlich zu ihr, aber er war auch betrunken und im Begriff, sich noch weiter zu betrinken. Florinda aber tat, als sei das alles in Ordnung; sie ließ sich keinerlei Groll anmerken. Ob sie vielleicht gar keinen verspürte?
Aber ich verspüre welchen, dachte sie erbittert. Ich
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