Kalifornische Sinfonie
gekämmt.
»Haben Sie John gesehen, Silky?« fragte Garnet. »Oder seinen russischen Freund?«
»John? Ja gewiß, Madam. Ich weiß nur im Augenblick nicht –
»John liegt da drüben und guckt in den Mond«, sagte einer der anderen Männer im Kreis. »Der Russe ist aber nicht bei ihm.«
Der Mann wies mit der Hand, und Garnet sah John in einiger Entfernung flach auf dem Rücken liegen. Er hatte die Hände unter dem Kopf verschränkt und blickte in den Himmel. Sie dankte den Männern kurz und ging auf ihn zu. Sie hatten nicht gesagt, wo sich der Russe aufhielte; wahrscheinlich war er bei irgendeinem Mädchen. Garnet hatte hier und da gehört, der schöne Riese habe bei den Mädchen der Ranch schon allerlei Erfolge aufzuweisen.
John hob sich auf die Ellbogen, als er sie herankommen sah. Dann stand er auf.
»Miß Garnet«, sagte er, »wollten Sie etwas von mir?«
»Ja«, erwiderte Garnet und sah zu ihm auf. Im Schatten wirkte Johns Gesicht hager und ernst. Die Farbe seiner Augen war hier nicht zu erkennen, aber sie wußte ja, daß sie grün waren, und in diesem Augenblick erschienen sie ihr als die kältesten Augen, die sie je gesehen hatte. Sie fühlte, wie ein Zittern sie überfiel. Aber sie mußte jetzt sprechen. Sie sagte: »John, wollen Sie Florinda helfen?«
Sie vermochte seinen Gesichtsausdruck kaum zu erkennen, aber sie fühlte, daß er überrascht war.
»Florinda helfen?« sagte er. »Was meinen Sie, was ich für sie tun soll?«
Sie zitterte nun wirklich; sie hatte keinen Schal umgenommen, und die Nachtluft war kühl. John fragte:
»Hat Charles Hale Sie anständig behandelt?«
»Charles? Er hat kaum mit mir gesprochen.«
John lächelte leicht: »Wenn er sich schlecht benimmt, geben Sie es ihm wieder.«
»O John«, rief Garnet ungeduldig, »ich bin nicht herausgekommen, um mit Ihnen über Charles Hale zu diskutieren.«
»Nein«, versetzte er, »Sie wollten mir etwas über Florinda sagen.« Er sprach jetzt kurz und knapp. »Es tut mir leid, daß sie krank ist, Miß Garnet. Aber ich wüßte nicht, was ich dabei tun soll. Ich bin kein Arzt.«
»Vermutlich wollen Sie sagen, dies sei eine Sache, die Sie nichts angehe«, sagte Garnet bitter.
»Ganz recht«, entgegnete John. »Es ist nicht meine Angelegenheit.«
»Ich denke, sie ist es doch«, sagte Garnet.
John antwortete nicht. Er hielt eine Orange in der Hand, die er von einem Baum gepflückt hatte. Er warf sie wie einen Ball in die Luft und fing sie wieder auf.
Garnet begann zu stammeln, bemüht, sich ihm verständlich zu machen. »John«, sagte sie, »begreifen Sie doch! Florinda hatte einen ernsten Grund, nach Kalifornien zu gehen. Ich kenne den Grund nicht. Sie hat ihn mir nicht gesagt, und ich werde sie auch nie danach fragen. O bitte«, sie hob die Hand, als er antworten wollte; »ich weiß, was Sie sagen wollen: Was hat das mit mir zu tun? Nun, ich will es Ihnen sagen.«
John lächelte auf sie herab, halb amüsiert, halb bewundernd. »Sie sind sehr sicher, wenn Sie sich einmal Ihre Meinung gebildet haben, nicht wahr?« sagte er.
»Ja, das bin ich wohl. Wollen Sie mir einen Augenblick zuhören?«
»Ich kann Sie ja nicht gut am Reden hindern. Fahren Sie ruhig fort.«
Sie sprach mit leiser Stimme, aber die Worte drängten ungestüm aus ihr heraus. »John«, sagte sie, »ich weiß nicht, warum Sie einst nach Kalifornien gingen. Ich werde Sie auch nie danach fragen. Ich kümmere mich auch nur um meine eigenen Angelegenheiten. Aber lassen Sie mich doch eins sagen: Sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, darf nicht heißen, in allen anderen Menschen einen Haufen lebloser Stöcke zu sehen. Ich meine, Menschen wie Sie und Florinda, überhaupt Menschen, die aus irgendeinem Grund in die Einsamkeit gingen, sollten einander wenigstens zu verstehen suchen. Weil – weil – mein Gott! – weil jeder einzelne von ihnen ein Einsamer ist.«
Jetzt sah John sie nicht an. Er stand da und drehte die Orange in der Hand, als wäre das ein Ding, das er noch nie gesehen habe.
»Was wollen Sie, daß ich für Florinda tun soll, Garnet?« fragte er schließlich. »Soll ich sie heiraten? Das will ich nicht. Und ich will sie auch nicht auf die Penrose-Manier nehmen.«
Garnet fühlte, wie sie errötete. »Ich habe an nichts dergleichen gedacht«, sagte sie.
»Ich weiß«, sagte John. »Verzeihen Sie bitte.«
»Ich dachte nur, es müsse sich doch ein Mensch finden, der sich ihrer annähme, bis sie wieder gesund ist. Es müßte doch irgendeinen Ort geben,
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