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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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alles geglaubt. Warum bist du mit mir hierhergegangen?«
    »Ich will dir diese Frage ganz offen beantworten«, versetzte Oliver ruhig, »ich konnte mir das leider nicht leisten. Alles, was ich besaß, befand sich hier. Der einzige Weg, es zu bekommen, war der, es zu holen. Außerdem: es erschien mir Charles gegenüber nicht fair, umzukehren, ohne mit ihm zu sprechen.«
    Garnet lächelte böse; die Kerze flackerte. Sie sagte: »Diese Antwort scheint wenigstens ehrlich. O Oliver, belüge mich nicht wieder.«
    Oliver schlug mit der Hand auf den Tisch; die vom Kerzenschein geworfenen Schatten tanzten an den Wänden. Er sagte: »Vielleicht hätte ich es dir beichten sollen. Aber – versuche es wenigstens zu begreifen – es lag mir alles daran, deine gute Meinung über mich zu erhalten.« Er kam zur Wandbank herüber und blieb einen Augenblick vor ihr stehen, ernsten Blickes auf sie herabsehend. Dann ließ er sich langsam auf die Knie fallen und schlang beide Arme um ihre Taille. »Garnet«, sagte er leise, »das schönste Recht, das ich mir jemals errang, ist das Recht, dich lieben zu dürfen. Du sahst zu mir auf. Du hieltest mich für tausendmal besser, als ich jemals war. Du vertrautest mir und glaubtest an mich. Ich hatte das nie zuvor erlebt. Du wirst nie erfassen können, wie sehr ich dich dafür liebte. Nun bitte ich dich in Gottes Namen: Laß mir das. Laß mir deine Liebe.«
    Garnet preßte beide Hände gegen die Schläfen; sie hatte das Gefühl, der Schädel müsse ihr jeden Augenblick zerspringen, wenn sie ihn nicht zusammenhalte. Der Schmerz war wie ein unentwegt zuschlagender Hammer. Sie sah Olivers’ flehend zu ihr erhobenes Gesicht, und plötzlich tat er ihr leid; sie fühlte, daß er jetzt die Wahrheit gesagt hatte. Ja, sie hatte zu ihm aufgesehen. Im Geist hatte sie ihn mit den kühnen und starken Eroberern fremder Kontinente verglichen. Durch das schmerzhafte Klopfen hinter ihren Schläfen hörte sie die Worte ihres Vaters, die er damals in New York gesprochen hatte: »Ich frage mich, ob du Oliver liebst oder – Kalifornien. Würdest du ihn auch heiraten wollen, wenn er dich nur bis zur nächsten Haustür brächte?«
    Damals war ihr gar nicht bewußt geworden, was ihr Vater sie gefragt hatte. Jetzt plötzlich wußte sie es.
    Sie erinnerte sich an alles, was sie gemeinsam erlebt hatten. Wie bereitwillig war Oliver in New Orleans und in Santa Fé gewesen, ihr alles zu zeigen, sie überall mit hin zu nehmen, gleichgültig, ob es schicklich war oder nicht. Sie dachte daran, wie sehr er ihrem Vater gefallen hatte, dem sein Scharfsinn bei geschäftlichen Dingen imponierte; welchen Eindruck er seiner guten Manieren wegen auf ihre Mutter gemacht hatte. Und schließlich vor allem: wie hatte sie selbst ihn geliebt vom ersten Augenblick an! Wie hatte sein frisches, zupackendes Wesen, das alle Schicklichkeitssorgen hinweglachte, ihr Freude gemacht. Und alle Männer des großen Trecks, die Händler und die Treiber, wie hatten sie ihn geschätzt und geachtet. Vom ersten Augenblick an, da er unter sie trat, war er einer der Ihren. Dies alles hatte sie gesehen, aber erst jetzt, in dieser Minute, da sie das gemeinsam Erlebte rückschauend betrachtete, entschleierte sich ihr das Geheimnis seiner Siege über Menschenherzen: Kein Mann konnte die Macht haben, so viele gänzlich verschiedengeartete Menschen zu bezaubern, wenn er selbst über einen geschlossenen Charakter verfügte. Sie begann zu begreifen, daß Oliver bei all seinem Geist und seiner physischen Kraft doch immer nur das Echo anderer Leute war. Er gehörte zu den Menschen, die jedem zustimmten, mit dem sie gerade zusammen waren. Sie selbst, Charles, John oder wer immer Oliver die Unannehmlichkeit ersparte, selber denken zu müssen, würde seinen Beifall haben. Aber er liebte sie, und deshalb bat er sie, gut von ihm zu denken. Seine eigene Meinung über sich würde so nur das Echo ihrer Meinung sein. Wenn sie ihn nicht mehr achtete und ihn ihre Mißachtung wissen ließ, würde er sich hinfort selbst nicht mehr achten können. Garnet, dies alles bedenkend, fühlte heimliche Fluchtgedanken in sich wachsen.
    Warum haben mich meine Eltern gewähren lassen? dachte sie. Ich war doch noch minderjährig. Sie hätten mir doch ihre Zustimmung einfach verweigern können.
    Kaum war dies gedacht, da meldete sich schon eine kleine Stimme in ihrem Gewissen, und die Stimme höhnte: Du hast recht, Garnet. Tadle deinen Vater und deine Mutter. Tadle den Zar von Rußland und den

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