Kalifornische Sinfonie
dösten. Schrecklich viele Kinder liefen und spielten herum, und ein paar zahme Digger gab es auch. Die Digger hatten alle nur einen Fetzen um den Bauch. Sie hatten ein hölzernes Joch über den Schultern, mit einem Eimer an jeder Seite. Damit schöpften sie Wasser aus dem Bach, und dann liefen sie von Haus zu Haus und verkauften das Wasser.
Es dauerte gar nicht lange, da mußten wir uns fortgesetzt kratzen, denn die vielen Hunde hatten noch viel mehr Flöhe, und Sie wissen ja, daß Flöhe die besten Akrobaten sind.
Langsam kamen wir dann zu einem Haus, und John sagte, das sei das Geschäfts-und Lagerhaus von Mr. Abbott. Da gingen wir hinein. Drinnen war ein großer Ladentisch und viele Regale. Mr. Abbott saß hinter dem Ladentisch. Er ist ein großer und breitschultriger und sehr fetter Mann mit einem glänzenden Glatzkopf; nur hinten hat er einen kleinen Kranz weißer Haare. Dazu hat er blaue Augen und ein freundliches rosiges Gesicht. Ich stand da im Laden und lehnte mich gegen die Wand, denn ich war so müde und so elend, daß ich kaum stehen konnte. Und die Flöhe hopsten überall auf mir herum.
John sprach mit Mr. Abbott und sagte ihm, daß ich krank sei. Mr. Abbott war sehr nett. Er sagte, ich könne die Nacht auf dem Speicher über dem Laden schlafen. Einer seiner Clerks mußte mich hinaufbringen. Die Holztreppe war so steil wie eine Leiter, aber oben war ein richtiges Zimmer, und in dem Zimmer war ein Bett. Das Bett hatte allerdings keine Matratze, sondern nur ein Fell, aber es waren genug Decken da. Dann kamen ein paar Mädchen und brachten mir meinen Packen und eine Kanne mit Wasser. Da wusch ich mir die Flöhe ab und legte mich hin und schlief die ganze Nacht.
Am nächsten Morgen ritten wir weiter, und wir ritten noch drei oder vier Tage. Das Land war ganz öde und trocken, und es war schrecklich viel Staub in der Luft. Schließlich kamen wir auf einer Ranch an. John sagte, die Ranch gehörte einem Yankee namens Kerridge. Mr. Kerridge wohne schon lange in Kalifornien und sei mit einer einheimischen Dame verheiratet.
Ich hatte ein bißchen Angst, was die Leute wohl sagen würden, wenn sie mich sähen. Ich sah wirklich nicht sehr bezaubernd aus, war ganz dünn und überall zerkratzt und dazu noch verstaubt und so müde, daß ich kaum den Kopf hochhalten konnte, ich fiel fast vom Pferd, als wir anhielten, aber John fing mich auf und nahm meinen Arm und führte mich ins Haus. Wir kamen in ein Wohnzimmer, da lagen Teppiche auf dem Fußboden, und an den Wänden hingen hübsche Kalikovorhänge.
Mr. Kerridge kam dann bald zu uns herein. Er ist ein großer, hagerer Mann mit grauem Haar, und er war sehr elegant und ganz mexikanisch gekleidet. Er war sehr höflich zu John und machte viele unnütze Redensarten. John ging aber gar nicht darauf ein, sondern wurde gleich geschäftlich. Er sagte, er habe eine Amerikanerin bei sich, die in der Wüste fast vor Erschöpfung gestorben sei, und ob ich dort bleiben könnte, bis ich gesund wäre.
Mr. Kerridge bat mich, auf der Wandbank Platz zu nehmen; dann klatschte er in die Hände, und gleich darauf kamen mehrere Bediente hereingestürzt, die brachten auf seinen Befehl Wein und Schokolade, und alle verbeugten sich vor mir und waren sehr höflich. Während sie noch mit den Tabletts herumklapperten, sah ich, daß John aufsprang und eine tiefe Verbeugung machte. Ich guckte, warum er das machte, und meine Augen wurden ganz groß. John küßte nämlich einer Dame die Hand, und das war die Dame des Hauses, Mrs. Kerridge.
Garnet, meine Liebe, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie mir zumute war. Doña Manuela, so heißt Mrs. Kerridge nämlich, wiegt ungefähr drei Zentner. Sie ist die dickste und fetteste Dame, die ich jemals gesehen habe. Sie sieht aus, als hätte man viele Kopfkissen fest zusammengedrückt und in ein Kleid gesteckt. Sie hat kleine schwarze Augen, die tief in Fett stecken, und eine kleine runde Nase. Ihr Gesicht sieht aus wie eine große Kartoffel, aus der vorne eine kleine Kartoffel herausgewachsen ist. Ihr Kleid war knallgelb und knallrot, und überall flatterten Fransen herum, wenn sie sich bewegte, dann klimperte und klingelte es von Halsketten und Armbändern. Ich habe nie eine Frau gesehen, die so viel Schmuck auf einmal trug.
John und Mr. Kerridge sprachen spanisch mit der Dame, und sie sah mich an. Zuerst machte sie ein Gesicht, als sei sie sehr erstaunt und beinahe entsetzt, ein so verstaubtes, spindeldürres Wesen wie mich in ihrem eleganten
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