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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Schulter ergriff und zurückriß. Wirr und außer sich aufblickend, sah sie in Charles’ entstelltes Gesicht. Er schleuderte sie beiseite, als sei sie ein Paket; sie taumelte und fiel.
    Während sie sich stöhnend auf die Knie hob, sah sie ein Gewirr aufgeregter Menschen um sich herum und dann sah sie wieder Charles. Charles schien jäh von seiner Kraft und seiner Würde verlassen. Er war über Olivers Körper zusammengebrochen, lag dort, die Hände in das Gras gekrallt, und weinte wie ein Kind.
    Garnet verspürte plötzlich ein heftiges, schmerzhaftes Ziehen im Leib. Menschen und Häuser und Berge begannen sich vor ihren Augen zu drehen. Dann sah sie sich wieder laufen, und sie wußte doch noch nicht einmal, wie sie wieder auf die Füße gekommen war. Vor ihren Augen wogte ein Nebel, sie schwankte, taumelte und stolperte, aber sie merkte es nicht; sie hatte nur einen Wunsch, dem Entsetzlichen zu entfliehen und auf ihr Zimmer zu kommen. Sie erreichte das Haus; aber es war, als käme das Haus ihr entgegen; sie prallte gegen die Mauer und sackte zusammen. Im Augenblick, da sie fiel, begann es sie zu würgen und sie erbrach sich. Auf den Knien hockend, hatte sie das Gefühl, in Stücke gerissen zu werden.
    Völlig erschöpft lag sie schließlich willenlos auf dem Gras. Sie konnte nicht aufstehen. Die Welt vor ihren Augen war durch einen flimmernden Schleier verhüllt. Eine Hitzewelle jagte durch ihren Körper; es war, als trete sie in einen Glutofen. Dann, urplötzlich, war die Hitze weg, und mit der Kältewelle, die über sie hinwogte, fühlte sie sich von heftiger Übelkeit befallen. Sie hob sich keuchend auf die Knie und erbrach sich abermals.
    Ich kann nicht mehr! dachte sie völlig verzweifelt, ich ertrage es nicht mehr! Und wieder brach sie zusammen.
    Im Unterbewußtsein war ihr deutlich, daß sie noch sehr viel würde ertragen müssen. Sie trug ein Kind, und Oliver war tot, und niemand war da, der sie nach Hause bringen würde. Sie hatte keinen Ort, wohin sie gehen konnte, außer diesem verhaßten Haus. Lärm drang an ihr Ohr: Pferde stampften, Hunde bellten; Männer und Frauen schrien mit schrillen Stimmen durcheinander; für sie war es nur ein Gewirr von Tönen ohne Sinn. Sie versuchte aufzustehen; aber kaum stand sie, torkelnd und schwankend, da war auch der Schleier wieder da, die Welt begann sich zu drehen und sie fiel willenlos zurück. Sie lag ausgestreckt im Gras, und die Erde unter ihr schien wie eine Schaukel zu wogen.
    Sie wußte nicht, wie lange sie so gelegen hatte, von Entsetzen, Ekel und Übelkeit geschüttelt; schließlich fühlte sie eine Hand auf ihrem Arm. Ganz dicht neben ihr sagte eine Stimme: »Garnet, hören Sie mich?«
    Sie vermochte nicht zu antworten; es würgte ihr in der Kehle. Sie wandte mühsam den Kopf und sah John Ives über sich gebeugt. John schob ihr einen Arm unter die Schulter, hob sie auf, als wäre sie eine Feder, und trug sie ins Haus.
    Als sie, wie von einer inneren Stimme gerufen, hinausgestürzt war, hatte sie die Tür ihres Zimmers offen gelassen. John stieß sie jetzt mit dem Fuß ganz auf, trug die Willenlose hinein und legte sie sanft auf ihr Bett. Das nahm sie noch wahr. Es war das Letzte, was ihr bewußt wurde. Dann verdichtete sich der Schleier vor ihren Augen und wurde schwarz. Die Welt versank und alles war dunkel und still.
    Achtundzwanzigstes Kapitel
    Aus Silkys Bar fiel helles Licht in die regnerische Nacht. Der Regen strömte in dicken, glitzernden Seilen vom Himmel, plätscherte auf die Dächer der kleinen Häuser von Los Angeles und bildete große, schlammige Pfützen auf den aufgeweichten Straßen.
    Die meisten Häuser lagen in schwarzem Dunkel, aber aus den Fenstern von Silkys Spiel-und Vergnügungssalon floß das Licht in breiten Schwaden. Vom Dach der Veranda hingen zwei Lampen herab, zwei weitere Lampen brannten unmittelbar über dem Eingang. Das eintönige Plätschern des Regens wurde von dem wirren Lärm übertönt, der aus den offenen Fenstern herausdrang: grölende Männerstimmen, Frauenlachen, Geklirr von Flaschen, Gläsern, Bechern und Geldmünzen. Los Angeles war in regnerischen Nächten eine trostlos düstere Stadt; Silkys Bar bot dann eine helle und trockene Zuflucht, die gern aufgesucht wurde.
    Das Haus war für die Verhältnisse der kleinen Ortschaft groß und geräumig. Es war wie alle Häuser hier aus ungebrannten Ziegeln erbaut, aber zwei Stockwerke hoch. Es wurde in Höhe des untersten Stockwerks rundherum von einer überdachten

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