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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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dem ragenden Hintergrund des Gebirges. Auf der Ranch herrschte reges Leben; es war kurz vor dem Mittagessen. Der Anis war herrlich, dachte sie; ich werde nicht mehr viel essen. Oder besser: ich werde sagen, ich hätte Anis gegessen, und werde überhaupt nicht zu Tisch gehen. Plötzlich drang lauter Lärm an ihr Ohr. Männer schrien, Pferdehufe stampften, aber sie konnte nichts sehen. Es mußte auf der anderen Seite des Hauses sein. Dann hörte sie den gellenden Schrei einer Mädchenstimme.
    Garnet, von einer sonderbaren Ahnung erfaßt, stürzte aus dem Zimmer und lief durch den langen Gang zur vorderen Haustür. Sie trat hinaus, fuhr unwillkürlich zurück und lehnte sich zitternd vor Schreck gegen die Hauswand.
    Alle Männer und Frauen der Ranch schienen auf den Beinen. Sie sah flüchtig Charles und Oliver und John, Arbeiter, Boys und eine Anzahl gesattelter Pferde. Vom Paß herunter kam ein Reitertrupp auf die Ranch zu geritten. Die Ankömmlinge ritten in scharfem Trab und schienen ausnahmslos mit Gewehren und Pistolen bewaffnet. Eine Wolke düsterer Drohung ging von ihnen aus; einen Augenblick wußte Garnet nicht, warum sie das so empfand, aber dann sah sie es: die Reiter trugen sämtlich anstatt der landesüblichen bunten Tracht schwarze Gewänder. Ein einzelner alter Mann ritt an der Spitze des Zuges. Er trug keinen Hut, sein weißes Haar flatterte im Wind.
    Aus der Gruppe der Männer vor der Ranch löste sich Oliver. Jetzt schien der Alte an der Spitze der Ankömmlinge ihn zu sehen; er riß ruckhaft sein Pferd herum und sprengte auf ihn zu. Er hielt die Zügel des Pferdes in der linken Hand, seine Rechte umklammerte den Schaft einer Pistole. Garnet vernahm Schreie; hier und da kreischte ein Mädchen auf. Ein älterer Cowboy begann laut zu beten, ein anderer sank in die Knie und bekreuzigte sich. Kinder spritzten schreiend auseinander, um nicht unter die Pferdehufe zu geraten. Weder Charles noch Oliver noch John trugen Waffen; indessen lief John jetzt auf den weißhaarigen Reiter zu und rief ihn in spanischer Sprache an. Garnet vernahm die Laute, aber sie war viel zu erschrocken, um ihren Sinn erfassen zu können. Charles versuchte, Oliver zurückzuhalten; aber Oliver riß sich jetzt los und ging auf die Reiter zu.
    Der Greis an der Spitze ritt weiter, ohne John Ives eines Blickes zu würdigen. Garnet konnte jetzt sein Gesicht erkennen; es war ein schreckliches Gesicht, von Schmerz, Jammer und Haß zu einer Grimasse verzerrt. Sie wußte: es war Don Rafael. Es brauchte ihr auch niemand zu sagen, zu welchem Zweck er gekommen war. Sie fühlte, wie ihr der Schweiß aus allen Poren des Körpers brach. Das ganze Geschehen nahm nur wenige Sekunden in Anspruch; aber diese Sekunden schienen sich zu Stunden zu dehnen. Trotz des schnellen Rittes konnte sie sehen, wie die Pferde die Hufe hoben und senkten. Sie sah Don Rafael die Pistole heben und hörte ihn Oliver etwas zurufen. Sie verstand die Worte nicht, aber sie wußte, daß sie eine furchtbare Anklage enthielten. Die Pistole krachte, und der harte, trockene Knall mischte sich mit dem Krachen zweier anderer Pistolen; das Echo warf die Schüsse von den Bergen hallend zurück. Oliver brach langsam zusammen, auf eine grausige, schwerfällige Art, ähnlich, wie Garnet es in der Archillette bei den Diggern gesehen hatte. Garnet hörte einen heiseren, halberstickten Schrei. Sie wußte gar nicht, daß sie selbst diesen Schrei ausgestoßen hatte, sie lief schon, sie stieß hier und da schreiende, heulende, kreischende Menschen beiseite, stolperte über ihre Röcke und verfing sich im hohen Gras. Die Reiter galoppierten bereits zurück; Garnet hörte das dumpfe Klopfen der Pferdehufe und sah die schwarze Wolke in der Ferne verschwinden. Sie lief zu der Stelle, wo sie Oliver hatte fallen sehen. Sie kam keuchend an, sah ihn liegen, brach in die Knie und drehte seinen Körper herum. Er fühlte sich schlaff und willenlos an. Dann sah sie die klaffende Wunde in seinem Hals, einen roten Fleck auf seinem Hemd und überall Ströme von Blut. Das Blut klebte ihr warm an den Händen.
    Ihre Hände waren feucht und ganz rot; und überall, an ihrer Brust und an ihren Ärmeln war Blut. Sie sah Olivers Gesicht. Sie hatte in der Archillette tote Menschen gesehen. Man brauchte ihr nichts mehr zu sagen.
    Ihr war, als hätte sie bereits endlose Zeit neben dem blutbesudelten Körper gekniet, obgleich sie doch höchstens eine Minute Vorsprung vor den anderen hatte, als eine rauhe Hand sie an der

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