Kalifornische Sinfonie
sagte sie, »ihr dürft euch selbst einschenken.« Und schon wandte sie sich wieder anderen Gästen zu, die eben aus dem Spielsalon gekommen waren. Hinter ihnen erschien Silky, der ihr zuwinkte, während sie den Männern die Becher füllte. »Wie geht’s hier?« fragte er.
»Ausgezeichnet.«
»Keine Schwierigkeiten?«
»Nicht die geringsten. Die tapferen Matrosen da trinken den Aguardiente wie Milch, aber Sie sehen, es macht ihnen nichts.«
»War Texas noch nicht wieder da?«
»Ich bezweifle sehr, daß er so weit laufen kann. Außerdem, Sie wissen doch: Mit Texas gibt es nie Schwierigkeiten.«
»Gut. Lassen Sie mich wissen, wenn Sie Hilfe brauchen sollten«, sagte Silky würdevoll und ging in das Spielkasino zurück. Die Matrosen trommelten mit ihren Bechern. Als José sich ihnen zuwandte, winkten sie ab. »Nichts da! Die Dame soll kommen, die nette Yankee-Dame da. Miß Florinda, kommen Sie her!«
»Augenblick, Gentlemen, Augenblick. Muß mir nur eben einen Wischlappen holen«, rief Florinda.
Die Matrosen schienen sich sehr wohl zu fühlen. Sie beobachteten Florinda, die einen Schnapsfleck von der Metallplatte wischte. Der eine neigte sich zu ihr hinüber und flüsterte ihr ein paar Worte ins Ohr. Florinda schüttelte lächelnd den Kopf.
»Bedauere unendlich, mein Schatz«, sagte sie; »sechs Türen weiter rechts. Fragen Sie nach Estelle.« Teufelswanze klopfte auf den Tisch, und Florinda wandte sich ihm zu: »Was soll’s jetzt sein?«
»Dasselbe nochmal. Was haben wir noch gut?«
»Eine Minute. Ich sehe nach.«
Florinda nahm ein Buch vom Regal und blätterte die Seiten durch. »Teufelswanze: sechs Häute, Tick-Tack dreieinhalb«, verkündete sie. »Gleicht gerade die bisherige Zeche aus.« Sie machte ein paar Eintragungen in dem Buch.
»Schön«, sagte Teufelswanze, »aber schließlich brauchen wir noch was, bis wir abziehen. Ich bringe Ihnen morgen einen Guthaben-Bon von Abbott.«
»Lassen Sie sich einen möglichst großen Bon ausstellen«, lächelte Florinda. »Es ist bis Santa Fé Ihre letzte Gelegenheit, Dummheiten zu machen.«
Die Händler lachten, und Florinda wandte sich dem anderen Ende der Bar zu, wo ein paar Kalifornier nach einer neuen Flasche Wein riefen. Im Augenblick, da sie ihnen die Flasche hinschob, ging die Außentür auf, und ein heftiger Windstoß fuhr herein.
Florinda sah auf und stieß einen leichten Freudenschrei aus. »Ich will eine augenkranke Makrele sein, wenn das nicht John Ives ist«, rief sie lachend. »Wie geht es Ihnen, Johnny?«
Alle Amerikaner im Raum riefen dem Eingetretenen Begrüßungen zu. John blieb schweigsam und ernst. Er kam mit langen Schritten heran und stützte sich mit beiden Händen auf den Bartisch. Seine Kleider waren durchgeweicht und verschmutzt, der Regen troff ihm aus dem Haar. Er trug einen mehrere Tage alten Bart und die Spuren starker Strapazen im übermüdeten Gesicht. Hinter ihm betrat sein Boy Pablo Gomez die Bar, der sich im Hintergrund schweigend in eine Ecke hockte. Florinda sah John Ives ins Gesicht und fuhr betroffen zurück.
»Um Himmels willen, Johnny«, sagte sie, »was ist passiert? Sie sehen ja zum Erbarmen aus.«
»Ich komme mir auch ziemlich ausgepumpt vor«, versetzte John, ohne den Kopf zu heben. »Geben Sie mir schnell einen Whisky, aber einen großen, und eine Flasche Roten für Pablo.«
Er warf ein paar Münzen auf den Tisch; Micky stellte einen Becher vor ihn hin, und Florinda goß ihm den Whisky ein. Sie nahm einen mexikanischen Dollar von den Münzen ab und schob ihm den Rest zurück. Micky brachte Pablo seine Flasche Roten. John goß den Drink in einem Zug hinunter und schob Florinda den Becher wieder zu, die ihn von neuem füllte. »Wie lange waren Sie im Regen unterwegs?« fragte sie.
»Ich bin vier Tage geritten; regnen tut es erst seit zwei Tagen«, sagte John, goß den zweiten Whisky hinunter und bat um einen dritten. Florinda füllte ihm den Becher abermals und kassierte eine weitere Münze.
»Trinken Sie etwas langsamer, John«, sagte sie, »Sie sind zu müde, um so schnell hintereinander zu trinken.«
»Sie haben wahrscheinlich recht«, entgegnete John trocken; »können Sie mir etwas zu essen verschaffen?«
»Selbstverständlich. Warten Sie, bis ich eine freie Minute habe. Was haben Sie übrigens für Kummer?«
»Das werde ich Ihnen schon noch erzählen. Lassen Sie mich nur erst ein bißchen zur Ruhe kommen.«
Florinda nickte. Sie wurde in eben diesem Augenblick von einem anderen Gast gerufen und
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