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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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beachtete sie. Und es gab hundert und tausend Wege, um daran vorbeizukommen. Zuweilen konnte man meinen, es gäbe mehr Menschen in Kalifornien, die von Bestechung und verbotenen Geschäften lebten, als Menschen, die ihr Geld durch ehrliche Arbeit verdienten. Es war wirklich nicht zu verwundern, daß die Kalifornier ihrer Regierung müde waren.
    Die Kalifornier waren ein friedliebendes Volk, aber sie konnten auch böse und gewalttätig werden, wenn man sie genügend aufreizte. Der letzte mexikanische Gouverneur des Landes, Micheltorena, war gar kein übler Mann und zweifellos guten Willens. Die Regierung in Mexiko City hatte ihm dreihundert Soldaten versprochen. Dabei war sie auf die glorreiche Idee verfallen, zwecks Aufstellung dieser kleinen Streitmacht die mexikanischen Gefängnisse zu leeren. Die uniformierten Galgenvögel trafen in Kalifornien ein und begannen in der freien Wildnis ihren Instinkten freien Lauf zu lassen. Sie stahlen alles, was ihnen erreichbar war, und plünderten, raubten und marodierten, daß es eine Lust war. Und dies so lange, bis die Bürger Kaliforniens zu rebellieren begannen. Sie rebellierten nicht nur, sie ruhten nicht, bis sie Señor Micheltorena samt seiner Verbrecherarmee nach Mexiko zurückgejagt hatten. Als der Gouverneur fort war, übernahm die Verwaltung des Landes Pio Pico aus Los Angeles und das militärische Kommando José Castro aus Monterey. Zwischen Pico und Castro war ständig Streit. Jeder von beiden erhob Anspruch darauf, dem anderen rangmäßig übergeordnet zu sein. Keiner konnte sich entschließen, den Wohnsitz zu wechseln, um irgendwo einen gemeinsamen Regierungssitz zu errichten. Geschah irgend etwas, das geeignet war, das ohnehin ständig schwankende Gleichgewicht zwischen den ›Regenten‹ zu erschüttern, wurde, wie Nikolai sagte, regelmäßig irgend jemand erschossen.
    Garnet zeigte sich durch diese unsicheren Verhältnisse höchst beunruhigt. Sie war im Begriff, nach Los Angeles zu gehen, ohne einen anderen Schutz als den, den ihre Freunde ihr zu bieten vermochten. Und ihre Freunde waren selbst Fremde im Land. »O Nikolai«, rief sie entsetzt, »nun sagen Sie nicht noch, ich könnte in irgendwelche Kampfhandlungen verwickelt werden.«
    Der Russe lächelte sanft. »Oh«, sagte er, »das – ich glaube nicht. In Monterey sitzt der amerikanische Konsul, Mr. Larkin. Man sagt, Mr. Larkin habe gesprochen mit wichtigen Männern aus Kalifornien. Er wollte wissen, was sie würden sagen, wenn sie kämen von Mexiko zu den Vereinigten Staaten. Sie sollen erklärt haben alle, sie wären sehr froh, wenn sie könnten werden Bürger der Staaten. Die Kalifornier lieben die Yankees, deshalb ich glaube: eines Tages werden kommen Ihre Leute, Miß Garnet, und werden übernehmen Land und Regierung.«
    Oh! dachte Garnet, wenn er doch recht hätte! Es war ihr gleichgültig, wem Kalifornien gehörte; aber sie sagte sich, wenn viele Amerikaner hierherkämen, so würden sie vielleicht so etwas wie einen sicheren Weg zwischen Los Angeles und New York schaffen und sie könnte leichter nach Hause zurückkehren. Es mußte wohl auf ihrem Gesicht stehen, daß sie sehr nachdenklich geworden war, denn der Russe streichelte jetzt sacht ihre Schulter und sagte: »Wie wäre es, wenn Sie versuchten, ein bißchen zu laufen? Ich werde Ihnen helfen.«
    Garnet nickte, und er brachte ihr eins ihrer Kleider. Sie stand jetzt schon täglich ein Stündchen auf. Nikolai ging dann mit ihr langsam im Zimmer auf und ab, sie mit seinem starken Arm stützend.
    Aber obwohl sie fühlte, wie ihre Kräfte langsam wuchsen, wurde sie doch schnell müde und mußte sich wieder legen. Wenn sie schlief, gingen Florinda und Nikolai in das Nebenzimmer, und der Russe holte ihnen ein spätes Abendessen aus der Küche. Florinda plauderte gern mit dem Mann, den sie ›Das hübsche Tier‹ getauft hatte. Der war von Fallenstellern aufgezogen worden und kannte von Kalifornien nur die einfachsten Dinge, aber er hatte sich eine Herzensunschuld bewahrt, die sie eben deshalb bezauberte, weil sie sie nicht begriff. Er hatte nie eine Bank, ein Gerichtsgebäude oder dergleichen gesehen; seine bescheidene Kenntnis von diesen und ähnlichen Institutionen hatte er seinen amerikanischen Freunden abgelauscht. Aber er verfügte über ein großes intuitives Wissen, und war längst nicht zivilisiert genug, um im geringsten heucheln zu können. »Sie sind ein erstaunlicher Bursche, Sie hübsches Tier«, sagte Florinda manchmal. »Wenn ich Sie

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