Kalifornische Sinfonie
durchmachen müssen, wie das ist, und wenn ich auf den Knien um die ganze Erde kriechen müßte, um es zu verhindern.« Florindas Stimme klang hart, beinahe rauh, aber sie war so müde, daß sie den Kopf wieder auf das Kissen sinken ließ, als vermöchte sie ihn nicht länger aufrecht zu halten.
»Lege dich schlafen«, sagte Garnet, »ich bitte –; bevor sie weitersprechen konnte, trat John ins Zimmer.
»Warum haben Sie mich nicht geweckt, Florinda?« sagte er.
Florinda stand auf: »Ich wollte es, aber ich bin selbst eingeschlafen.«
»Wie geht es Miß Garnet?«
»Gut.« Florinda ergriff den Wasserkrug. »Holen Sie mir ein bißchen frisches Wasser, Johnny, ja? Und lassen Sie in der Küche noch einmal Fleischbrühe machen.«
John nahm ihr den Krug aus der Hand. »Legen Sie sich jetzt hin«, sagte er, »ich bin gleich zurück. Und schlafen Sie so lange, bis Sie von selber aufwachen.«
Florinda nickte. Aber sie wartete am Bett, bis John das Zimmer verlassen hatte. Dann neigte sie sich über Garnet und flüsterte: »Bitte erzähl John nichts von dem, was ich vorhin ausplapperte.«
»Du meinst, daß du ein kleines Mädchen hattest?«
»Ja. Ich weiß nicht, was mich so aus der Fassung gebracht hat, daß ich darüber reden konnte. Ich war wohl so übermüdet, daß ich nicht mehr wußte, was ich tat.«
»Ich werde gewiß kein Wort sagen, Florinda.«
»Danke, Liebe.« Florinda neigte sich über sie, küßte sie leicht auf die Stirn und huschte aus dem Zimmer.
Dreißigstes Kapitel
Drei Tage später traf der Russe Nikolai Grigorievitch Karakozof auf der Ranch ein. Er prunkte wie gewöhnlich in Atlasseide und weichem, schmiegsamem Leder und war von einer ganzen Dienerkolonne und mehreren Packpferden begleitet. Charles begrüßte den Gast vor der Tür des Herrenhauses. Charles Hale sah in dem Russen einen dummen, barbarischen Wilden, den er tief verachtete, aber Karakozof war ein kalifornischer Ranchero, und weder seine innere Meinung über ihn noch die Trauer um Oliver konnten ihn bewegen, die zwischen kalifornischen Landbesitzern üblichen höflichen Gepflogenheiten außer acht zu lassen.
Der Russe brachte Garnet und Florinda kostbare seidene Schals mit. Die für Garnet bestimmten Gewebe waren mit roten, die für Florinda gedachten mit blauen Blumen gemustert. Florinda legte ihren Schal sogleich um und drehte sich vor dem Spiegel, um die verschiedenen Wirkungsmöglichkeiten auszuprobieren. Nikolai trat an das Bett heran und tätschelte Garnets Haar mit seiner großen Hand.
»Garnet«, sagte er, »ich möchte Ihnen aussprechen mein Beileid. Es ist schrecklich.«
»Danke, Nikolai«, flüsterte Garnet.
»Aber Sie werden haben ein Kind«, sagte der Russe. »Das ist gut.«
Garnet lächelte ihn an. Wenn früher in New York ein Mann gewagt hätte, eine solche Bemerkung gegenüber einer Dame zu machen, hätte man ihn für einen unverzeihlich schlecht erzogenen Flegel gehalten. Aber davon konnte Nikolai Grigorievitch nichts ahnen.
»Sie können jetzt noch nicht fühlen das Glück«, sagte der Russe, »weil Sie sind hilflos und schwach, und es ist nicht gut, wenn man hilflos und schwach ist. Aber Sie haben in sich viele Kräfte. Sie werden gesund werden und dann werden Sie sein glücklich.« Hoffentlich! dachte Garnet. Hoffentlich behältst du recht. Wirklich, im Augenblick fühlte sie sich weder stark noch glücklich.
Im Laufe dieses Tages brachte sie es mit großer Anstrengung fertig, einen Brief an ihre Eltern zu schreiben und ihnen mitzuteilen, daß sie noch nicht nach Hause kommen könne. John hatte versprochen, den Brief nach Los Angeles mitzunehmen und ihn Texas zu geben, der ihn in Santa Fé einem der Missouri-Händler geben sollte. Garnet saß im Bett, gegen einen Stapel zusammengeknüllter Kopfkissen gelehnt; John hatte ihr ein Tablett gebracht, das sie wie ein Pult auf den Knien halten konnte. Die Tinte stand auf einem Stuhl neben dem Bett.
Es war gleichwohl ein schwieriges Geschäft, den Brief zu schreiben. Garnet war so schwach, daß die Feder in ihrer Hand zitterte. Sie konnte nur sehr langsam schreiben; sie wollte nicht, daß die Eltern schon an den schiefen Linien und den kritzeligen Buchstaben erkennen mußten, daß sie sehr krank gewesen war. Sie schrieb, daß Oliver ganz plötzlich gestorben sei; aber sie verschwieg ihnen alle näheren Umstände seines Todes. Und sie schrieb, daß sie ein Kind erwarte. Die Anstrengung war so groß, daß ihre Hände und ihre Stirn sich schon bald mit Schweiß
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