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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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ballte die Hand zur Faust und biß in den Lederhandschuh; sie mußte an die makellose Luft und die peinliche Sauberkeit denken, die am Union Square in New York herrschte. Auch die Hale-Ranch fiel ihr ein. Das war ein freudloser Ort, und sie hatte nicht einen einzigen angenehmen Tag dort gehabt, aber peinlich sauber war es dort gewesen. Einen Augenblick wünschte sie, sie wäre dort geblieben. Bitter wurde ihr bewußt, daß der einzige Ort, an dem sie bleiben konnte, jetzt ein zweifelhaftes Lokal in einem schmutzigen Dorf am Ende der Welt war. Entsetzt fragte sie sich, was für ein Leben sie dem Kind, das sie erwartete, in einem Ort wie diesem hier wohl bereiten könnte. O mein Gott! dachte sie, könnte ich doch nur hier heraus und nach Hause! Halb benommen von dem Gestank, von den kribbelnden Flöhen an ihrem Körper und von den herumstreunenden Hunden, die an den Pferden hochsprangen, sah sie sich um.
    John und der Russe ritten vor ihnen an der Spitze des kleinen Zuges. Dieses Los Angeles hatte nur an die zweihundert Häuser; die meisten davon waren kleine braune Würfel, die einander glichen wie ein Ei dem anderen, und sie standen in so sinnloser Unordnung, daß man denken mußte, jeder, der auch nur zwanzig Schritt weit aus seinem Hause herausging, müsse sich rettungslos verirren. Die Häuser hatten Teerdächer; die machten gegenwärtig einen ganz soliden Eindruck, doch schien der Teer bei heißem Wetter auseinanderzulaufen, denn an den Hauswänden zogen sich lange schwarze Streifen herunter. Zwischen den Häusern wuchs wilder Hafer, dazwischen leuchtete hier und da farbiger Mohn; Stechapfelblüten lagen überall auf der Erde verstreut. Dann erblickte Garnet eine kleine Kirche und mehrere große Ziegelhäuser, die wohlhabenden Familien zu gehören schienen. Ein paar große, langgestreckte Gebäude waren nach Florindas Erklärung Lagerhäuser. Nachdem sie ein Weilchen kreuz und quer zwischen den Häusern dahingeritten waren, kamen sie zu dem Haus, in dem Silky seine Bar unterhielt. John sprang vom Pferd und half Garnet aus dem Sattel. Die Tür des Lokals stand weit offen; Garnet sah drinnen ein paar Männer an der Bar stehen. In diesem Augenblick erschien Silky selbst. Er trug eine leuchtend rote Mexikanerjacke, hatte den Schnurrbart hochgedreht und sein sauber gescheiteltes Haar mit Pomade geölt. Er winkte Florinda mit strahlendem Gesicht zu, küßte Garnet galant die Hand und versicherte hochtrabend, es sei ihm eine außerordentliche Ehre, eine vornehme Dame in seinem bescheidenen Heim empfangen zu dürfen.
    Garnet gab sich Mühe, ihm höflich zu antworten. Aber sie hatte Schmerzen in allen Gliedern, und der Alkoholdunst, der aus der Bar herausdrang und sich mit dem Gestank der Straße vermischte, betäubte sie fast. Florinda schlang einen Arm um ihren Leib. »Geben Sie Ruhe, Silky«, sagte sie, »sie fühlt sich noch nicht sehr wohl. John, Nick, geht zur Bar und nehmt einen Schluck. Ich werde erst einmal für Garnet sorgen.«
    Sie half Garnet die steile Treppe hinauf und führte sie in ihr Schlafzimmer. Garnet setzte sich auf die Wandbank und starrte überrascht auf die hübschen Möbel und die frischen, sauberen Vorhänge. Florinda verschwand und kam gleich darauf mit einer jungen Mexikanerin zurück.
    »Das ist Isabel«, sagte Florinda; »Isabel ist ein netter Kerl, sie säubert mein Zimmer und besorgt meine Wäsche und meine Näharbeiten. Englisch spricht sie leider nicht, aber das macht nichts; sie versteht schon, was du willst; sie ist wirklich nett. Warte eine Minute, dann bringt Isabel das Gepäck herauf und du kannst dir frische Sachen heraussuchen. Ich hole derweil einen Eimer heißes Wasser aus der Küche.«
    Garnet nickte. Während die beiden hinuntergingen, trat sie ans Fenster und öffnete die Läden. Mit der frischen Luft drangen zugleich auch die üblen Gerüche der Straße herein. Sie sah hinunter und schrak unwillkürlich zusammen vor dem Lärm, der ihr entgegendrang. Sie hörte das wütende Gekläff der vielen Hunde, die gellenden Schreie der Ochsentreiber, die Rufe der Wasser schleppenden Digger; aus der offenen Tür unten drangen grölende Stimmen, das Klirren und Klappern von Bechern und Gläsern, Gitarrengesumm und Gesang an ihr Ohr. Dies also war Los Angeles. Garnets Gesicht verzog sich zu einem schiefen Lächeln. Wie anders war ihr Leben doch verlaufen, als sie es sich immer vorgestellt hatte! Aber, stellte sie mit grimmigem Trotz vor sich selber fest, ich habe bekommen, was ich wollte;

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