Kalifornische Sinfonie
dankte und setzte sich. Mr. Abbott faltete mit feierlicher Gebärde die Hände über seinem Bauch und verbreitete sich eingehend darüber, was für ein großartiger Mann der verstorbene Mr. Oliver Hale gewesen sei. Er, Abbott, werde sich jederzeit glücklich schätzen, der verehrten Witwe eines solchen Mannes jeden in seiner Macht stehenden Dienst zu erweisen.
Garnet hatte wenig Neigung, über Oliver zu sprechen. Florinda mochte das fühlen. Jedenfalls stoppte sie Mr. Abbott’s Redeschwall ab, indem sie erklärte, sie hätte gern einige Schuhe anprobiert; bitte, ob er ihr vielleicht eine kleine Auswahl zeigen könne. Aber selbstverständlich könne er das, versicherte Mr. Abbott; er habe mehrere Paare besonders moderner und stilvoller Erzeugnisse aus der ersten Fabrik von Connecticut. Er klatschte laut in die Hände, worauf zwei Yankee-Clerks aus dem hinter dem Ladentisch gelegenen Zimmer auftauchten. Florinda belegte beide sogleich mit Beschlag, bezauberte sie mit ihrem Charme und veranlaßte sie, ihr nicht nur Schuhe, sondern auch ganze Kollektionen von Seidenbändern und Kleiderstoffen vorzulegen. Sie saß auf der Wandbank und zog die Schuhe aus. Die Clerks schleppten immer neue Ware herbei, so daß Florinda schließlich ausrief: »Sie halten mich wohl für eine Ranchbesitzerin, daß Sie meinen, ich könnte Ware kaufen, die einen Wert von mehr als tausend Häuten darstellen?«
»Aber, aber –; Mr. Abbott, der den Ausruf gehört hatte, machte Florinda eine Verbeugung. »Wenn jeder sein Konto so wie Sie in Ordnung hätte, brauchte ich mir in dieser Welt keine Sorgen mehr zu machen«, sagte er. »Collins, bring Mrs. Hale einen Becher Wein; sie sieht ein wenig angegriffen aus. Ja, für mich auch einen Becher. Sie haben hoffentlich nichts dagegen, Mrs. Hale. Leisten Sie uns Gesellschaft, Miß Florinda? Halt, lehnen Sie nicht gleich ab, erwägen Sie es gut, Lady. Ein Gläschen Wein ist gut für den Magen; das können Sie sogar in der Bibel nachlesen.«
Florinda dankte, lehnte aber nachdrücklich ab. Sie bewunderte ihre Füße in schwarzen Ziegenlederpumps mit Seidenrosette, und flirtete dabei mit beiden Clerks gleichzeitig. Während Mr. Abbott mit Florinda sprach, sah Garnet sich im Laden um. Die Vorderwand und die beiden Seitenwände des Raumes waren mit Wandbänken aus Ziegelsteinen versehen; der Ladentisch stand der Eingangstür gerade gegenüber. Auf diese Weise konnte Mr. Abbott jeden hereinkommenden Kunden sogleich in Augenschein nehmen. Auf dem einen Ende des Ladentisches stapelten sich Haufen alter Zeitungen, die dazu gedient haben mochten, Lücken in Kisten und Warenballen zu füllen. Einige waren noch gut erhalten, andere ziemlich zerfetzt, aber alle waren sorgfältig geglättet worden, damit amerikanische Kunden darin lesen konnten. Die meisten Zeitungen waren über ein Jahr alt, waren sie doch samt und sonders per Schiff um Kap Hoorn gekommen, aber sie enthielten die letzten Neuigkeiten, die man aus den Staaten haben konnte.
An der Rückwand hinter dem Ladentisch befanden sich Regale, in denen zahllose Kontobücher lagen. Alle Geschäfte wickelten sich in der Weise ab, daß die Rancheros ihre Häute brachten, die ihrem Konto gutgeschrieben wurden. Sie bekamen darüber ihre Guthabenbons, die sie nunmehr gegen die Waren eintauschten, die sie zu kaufen beabsichtigten. Auf diese Weise war im ganzen Land nur sehr wenig Bargeld im Umlauf.
Hinter dem Laden befand sich ein Raum, in dem die Clerks arbeiteten, die jetzt Florinda bedienten. Sie waren, als Mr. Abbott sie herbeiklatschte, offenbar damit beschäftigt gewesen, eine ganze Schiffsladung von Waren auszupacken, denn Garnet konnte durch die offene Tür eine ganze Anzahl aufgebrochener Lattenkisten sehen und daneben Haufen von Töpfen, Pfannen, Spiegeln, Stoffen, Schuhen und allen möglichen Waren, die vermutlich gerade ausgepackt worden waren. Mr. Collins erschien und stellte eine Flasche roten Wein und zwei Becher auf den Ladentisch. Mr. Abbott füllt einen der Becher und reichte ihn Garnet mit einer so tiefen Verbeugung, wie sie ein dicker Mann im sitzenden Zustand nur eben fertigbringen kann.
Mr. Abbott schien Eile nicht zu schätzen. Während er sich selbst einen Becher Wein eingoß, fragte er Garnet, was sie von den skandalösen Vorgängen im Norden halte. Eine idiotische Sache, nicht war? Dem Geschäft höchst abträglich! Und was sagte sie zu dem prachtvollen Sommerwetter? Heiße Tage, kühle Nächte – so was hatte man hinten in den Staaten nie
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