Kalifornische Sinfonie
gehe. Und da das Dorf am Ende der San-Franzisko-Bai gelegen sei, habe der amerikanische Alkalde die Namensumbenennung verfügt.
John wußte weiter zu erzählen, daß inzwischen noch mehr amerikanische Truppen in Kalifornien eingetroffen seien. So sei in San Diego ein aus Mormonen zusammengesetztes Bataillon angekommen, das für Los Angeles bestimmt sei.
»Mormonen?« sagte Florinda. »Was heißt Mormonen?«
John erklärte es ihr auf englisch. Die Mormonen bildeten eine religiöse Sekte, sagte er. Sie hätten bisher hauptsächlich in Missouri gelebt, auch noch in Illinois, aber sie seien mit anderen Sekten und Religionsgemeinschaften immer wieder in Konflikt geraten. Im vergangenen Jahr seien zwanzigtausend Mormonen aus ihrer Heimat vertrieben worden. Darauf hätten die Kirchenältesten geplant, ihre Leute im Westen neu anzusiedeln, wo sie dann eigene Gemeinden gründen könnten. Und bei Ausbruch des Krieges habe der Mormonenälteste Brigham Young dem Präsidenten Polk die Aufstellung eines Mormonenbataillons angeboten. »Ein geschickter Zug von dem Mann«, meinte John; »Brigham Young stellte damit den Patriotismus der Mormonen unter Beweis, nachdem deren Gegner sie schlechte Amerikaner genannt hatten. Und außerdem bekam er eine große Anzahl kräftiger und gesunder junger Männer kostenlos nach dem Westen, wo sie nach dem Kriege eine Mormonenkolonie begründen können.«
»Wie viele Mormonen sind es denn, die nach Kalifornien kamen?« fragte Florinda.
»Ich weiß es nicht genau«, erwiderte John, »drei-bis vierhundert.«
Florinda lächelte befriedigt. Offenbar war sie schon dabei, die Umsatzsteigerung in ihrer Bar zu berechnen, die der Zuwachs bedeutete. John sah es; er lächelte amüsiert und schüttelte den Kopf.
»Rechnen Sie nicht, Florinda«, sagte er, »die Mormonen trinken nicht.«
Florinda sah ihn verblüfft an und runzelte die Stirn. »Was heißt das?« fragte sie. »Was ist mit ihnen los?«
Garnet dachte, jeder andere Mann würde jetzt vermutlich mit einer witzigen Bemerkung reagiert haben, weil ja Florinda gleichfalls nicht trank, aber John tat selten das, was ein anderer an seiner Stelle getan haben würde. John antwortete:
»Die Mormonenkirche verbietet ihren Mitgliedern den Genuß alkoholischer Getränke. Aber ich möchte annehmen, daß nicht alle Mormonen sich strikt an das Verbot halten; bisher hat es noch keine Kirche fertiggebracht, die starre Einhaltung ihrer Regeln zu erzwingen. Immerhin sind die Mormonen sehr nüchterne Leute, und viel wird von ihnen nicht zu holen sein. Aber Silky braucht sie ja auch nicht. Er macht auch so gute Geschäfte.«
»Dann hat er den Whisky also gerettet?«
John nickte, und Florinda jubelte. John erzählte, wie die Dinge gelaufen waren. Silky hatte sich gesagt, daß Mr. Abbott, von dem er das Haus zusammen mit Florinda gemietet hatte, daran interessiert sein müsse, daß sein Betrieb liefe. Deshalb hatte er den Whisky Mr. Abbott in Obhut gegeben. Abbott war mit einer Einheimischen verheiratet und hatte drei tüchtige und kräftige Söhne, die zwar durch Geburt Angelesen waren, aber ein gut Teil des väterlichen Erbes mitbekommen hatten und über eine tüchtige Portion Unternehmungsgeist verfügten. Diese Söhne hatten dafür gesorgt, daß Silkys Betrieb in Ruhe gelassen wurde und daß die Bar während der unruhigen Zeit geschlossen blieb. Micky hatte während der ganzen Zeit im Hause geschlafen, wenn auch nur unter dem Dach der hinteren Veranda; Isabel hatte ihn mit Essen versorgt.
»Und wie hat Mr. Abbott die Unruhen überstanden?« fragte Florinda.
John kicherte. »Mr. Abbott hat seit zwanzig Jahren auf keinem Pferd mehr gesessen«, sagte er; »kein Krieg hätte ihn veranlassen können, in den Sattel zu steigen. Als die letzten Yankees die Stadt verließen, zog er sich in ein abgelegenes Zimmer im Oberstock seines Hauses zurück und schloß die Fensterläden, während seine Familie überall erzählte, er habe Los Angeles verlassen. Er hat den Winter damit hingebracht, die alten amerikanischen Zeitungen zu lesen, die in seinem Laden auf dem Tisch gestapelt waren.«
Florinda lachte und sagte mit einem flüchtigen Seitenblick auf Garnet: »Ach, etwas müssen wir Sie noch fragen: Was ist aus unserem teuren Freund Charles Hale geworden?«
John bat um die Erlaubnis, für ein paar Minuten englisch sprechen zu dürfen. Es seien da einige Einzelheiten, die Florinda nicht verstanden habe. Er erzählte dann, Charles Hale sei in letzter Zeit sehr geschäftig
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